Dienstag, 30. Juni 2015

Hitze-Tapering

Sie steht wiederkäuend im Schatten ausladender Kirschbaumäste, wedelt mit Ohren und Schwanz, um die lästigen Fliegen zu verscheuchen. Verwunderung und wenig Verständnis glaube ich in ihrem Blick zu entdecken, als ich nach dem Einlaufen ein kurzen Stopp einlege und mir den halben Inhalt der Wasserflasche über Kopf und Schultern kippe ...


Die Sonne gleisst am klarblauen Himmel, das Thermometer klettert schnell - ideale Bedingungen für den letzten "Tempo"-Test vor unserem nordischen Marathon. Nachdem die Region Västerbotten in Nordschweden den kältesten, nassesten Juni seit 14 Jahren erlebt hat, rollt nun genau aufs jene Tage, da der "Nya Vindelälvsloppet" stattfindet, die "Spanische Hitze" an!


Trotz schweisstreibendem Sommerwetter rolle ich gefühlt lockerer zwischen den reifenden Getreidefeldern dahin, als beim Testläufchen vor dem Winterthur Marathon vor fünf Wochen. Ich freue mich, dass die Beine recht munter sind - immerhin hatten wir ihnen von Samstag zu Samstag zwei 30-Kilometer-Longruns und insgesamt abenteuerlich, ungewohnte 104 Kilometer Wochenumfang zugemutet.


Bis zum Tag X werden wir wohl zu rekordmässig viel Erholung kommen. Eigentlich hätten wir heute Abend in Arlanda ein Flughafen-Jogging unternehmen wollen - bei 32° im Schatten legen wir bestimmt besser die Beine hoch! Und bei der Landung in Lycksele werden uns 28° empfangen (2° südlich des Polarkreises) ...

So stellen wir uns schon mal darauf ein, dass der Vindelälvsmaraton sogar den Wüstenmarathon in Dubai überflügeln wird, was die Temperatur anbelangt!


6 km lockeres Mitteltempo 5:09 Min./km / Puls 144
in 10.4 km 5:24 Min./km / Puls 138
+/- 85 hm / 24° schön, sanfter ONO-Wind
Track https://connect.garmin.com/modern/activity/819275643


Samstag
30 km Longrun 5:39 Min./km / Puls 139
+/- 225 hm / 14-23° schön, sanfter WSW-Wind


Sonntag
11.1 km Jogging 6:11 Min./km / Puls ?
+/- 80 hm / 23° schön, sanfter N-Wind

Donnerstag, 25. Juni 2015

Der Ruf des hohen Nordens

In den Sommerferien 2013 erlebten wir unser aussergewöhnlichstes Lauferlebnis. Wir durften in einer Staffel der Läufergruppe des IFK Umeå mittun und in Lappland beim 90 Kilometer langen Etappenlauf dem Fluss Vindelälven entlang von Ammarnäs nach Sorsele dabei sein. Es ging darum die erste der vier Tagesetappen des mit 350 km längsten Stafettenlauf Schwedens zu laufen, und dabei Werbung für den seit über 10 Jahren in der Versenkung verschwundenen Anlass zu machen. Die Hoffnung, ihn 2014 wieder zum Leben zu erwecken erfüllte sich trotz viel Aufwand der Organisatoren nicht.

Obwohl auch dieses Jahr nur 10 Staffeln die 28 Etappen entlang des wilden, ungebändigten Vindelälven in Angriff nehmen wollen, wurde bei Ablauf der Anmeldefrist Mitte Juni beschlossen: "Vi kör!" (Wir "fahren"). Erstaunlich, denn trotz geringem Interesse ist die Arbeitskraft von gut 250 Funktionären nötig, um die Sportler auf der langen Strecke zu begleiten und versorgen!

Letztes Wochenende lasen wir auf der Seite des Veranstalters, dass die allerletzte Etappe - welche über 42.195 Kilometer von Vindeln nach Vännäsby zur Mündung des Vindelälven in den Umeälven führt - für alle offen sei, und man sich bis zum Lauftag anmelden könne!
Schnell zückten wir unsere Agenden, stellten fest, dass ein verlängertes Wochenende drin liegt, und die trotz Sommerferienbeginn äusserst günstigen Flugpreise besiegelten den Entscheid zu diesem speziellen Marathon zu reisen. 

Nun freuen wir uns riesig auf den Abstecher in den geliebten Norden, um zusammen mit bisher 9 anderen gemeldeten Marathonis den 10 Staffelläufern Gesellschaft zu leisten.



Wenig unterhalb der Kirche von Vindeln wird es losgehen, sobald der Erste der Etappenläufer die Wechselzone erreicht.



Vor drei Jahren hatte uns dieser vielsagende Wegweiser zu einem Aussichtspunkt hoch über dem Örtchen Selet geführt. Auf der Höhe, wo die rote Holzhängebrücke den Fluss überspannt, werden schon gut 24 Kilometer geschafft sein.




Die Stromschnellen von Långforsen können wir wohl nur hören und in der Ferne ahnen.




Das Ende der Punkt zu Punkt Strecke liegt in Vännäsby. Sie wird im Stil von Boston ein paar Heartbreak-Hills aber auch einen Drop von ungefähr 100 Höhenmetern bereithalten.

Mit diesem Wissen begeben wir uns heute Abend auf die Strecke des Bieler 100ers. Wir absolvieren bei recht schweisstreibender Hitze 13 hügelige Mitteltempo-Kilometer durch die herrlich süss und herb nach Heu und reifendem Getreide duftende Landschaft.







Beim zügigen Auslaufen klettern wir innerhalb eines Kilometers hoch übers Limpachtal und entdecken ein lauschiges Picknick-Plätzchen. Langes Verweilen wollen wir uns nicht leisten. Heute und am Samstag soll das Training noch anspruchsvoll bzw. umfangreich sein - die Aufbauphase war ja mit nur zwei Wochen auch sehr, sehr knapp bemessen!
Der Puls bleibt der Hitze und Höhenmeter wegen hoch, die Vorfreude lässt die Beine dennoch munter traben. Wir wünschen uns dennoch, dass die Langzeitwetterprognose für Lappland sich noch ändert und das Thermometer am Marathon-Tag nicht auf 28° klettert, obwohl der Sommer in diesen Breiten sehnlichst erwartet wird!



Dienstag
2 x 3000 m Marathon-Tempo-Intervalle 4:49 Min./km / Puls 155
in 14.2 km / 5:17 Min./km / Puls 141
+/- 120 hm / 18° leicht bewölkt, 21 km/h NNW-Wind
Track https://connect.garmin.com/modern/activity/812763498


13 km hügeliges Mitteltempo 5:16 Min./km / Puls 147
in 22.8 km Erlebnis-Marathon-Tempo 5:32 Min./km / Puls 146
+/- 190 hm / 25° heiss, schön, sanfter SSO-Wind

Track https://connect.garmin.com/modern/activity/814640391

Sonntag, 21. Juni 2015

Inspirierender Longrun

Regentropfen fallen und bilden Ringe auf dem Wasser des Biotops, und die Jurahöhen sind in feuchte Wolken gehüllt. Zum geplanten Sonntagsprojekt können wir uns einfach nicht aufraffen, obwohl wir extra früh aufgestanden waren. Wir hatten uns vorgenommen, den Grenchenberglauf (12 km + 800 hm) nach gut einstündigem Einlaufen in unseren Longrun einzubauen.

Frustriert beobachten wir auf dem Niederschlagsradar, wie immer neue Regenzellen über die Bergkette segeln, um darauf das Seeland zu überqueren. Gegen neun Uhr nieselt es nur noch, wir geben uns einen Ruck und laufen endlich los, mit dem Ziel auf unserer Heimrunde 24-26 Kilometer abzuspulen.

Wind und Regen verursachen in den ersten Minuten Gänsehaut, und die vielen kleinen Wassertropfen auf der Brille nerven. Bald wird mir jedoch warm. Trotz verschleiertem Blick lassen sich die Schwalben gut beobachten, die heute dicht über den Getreidefeldern jagen und manchmal so nah an uns vorbeischiessen, dass wir eine Kollision fürchten. Die Mohnblumen wiegen sich unbeirrt in den Getreidefeldern, die sich langsam gelb färben - auch ein verregneter Sonntagmorgen kann zauberhaft sein!

Wunderbar ist auch das Laufgefühl. Wie schon am Donnerstag beim Marathon-Intervall-Training fühlen sich unsere Schritte endlich wieder kräftig, elastisch und stabil an. 


Nach einer Stunde hört der Regen auf, Fleckchen von blauem Himmel gucken zwischen den Wolken hervor, Dampfschwaden steigen aus den Kartoffeläckern auf, die Linden duften betörend süss, und ohne lange darüber zu diskutieren nehmen wir die ganze 30 Kilometer-Runde unter die Füsse.

Auf dem Heimweg wird es sommerlich warm, und wir stoppen am Brunnen bei einem Bauernhaus, um uns zu kühlen und die Trinkflaschen aufzufüllen. Das schöne Gefühl, ohne grosse Mühe durch die Landschaft fliessen zu können bleibt. Der letzte Marathon liegt erst drei Wochen zurück, und wir könnten uns schon heute gut vorstellen, noch weitere 12 km anzuhängen. Herrlich aus Lustlosigkeit wurde inspirierende Lauf-Lust!


77.5 Wochen-Kilometer, darin

Donnerstag
3 x 2000 m Marathon-Tempo-Intervalle 4:50 Min./km / Puls 154
in 16.1 km 5:26 Min./km / Puls 139
+/- 135 hm (in Intervallen ca. +/- 50 hm)
17° bedeckt, sanfter ONO-Wind

Track https://connect.garmin.com/modern/activity/807777377

Sonntag
30.0 km Longrun 5:38 Min./km / Puls 136
+/- 250 hm / 13-18° leichter Regen bis schön, leichter SW-Wind

Track https://connect.garmin.com/modern/activity/810312735

Sonntag, 14. Juni 2015

Verpflegungsposten Scheunenberg - 30. Kilometer beim Bieler 100-km-Lauf

Sehnlichst wünschten wir letztes Jahr beim Nachtmarathon den Verpflegungsposten bei Scheunenberg herbei (wegen Zusatzschlaufe in Biel km 35 beim Marathon). Wie eine rettende Oase in der Wüste wirkten die reich gedeckten Tische in der feuchtheissen Vollmondnacht, und ein Becher Cola spendete genug Energie, um die letzten sieben Kilometer noch zu schaffen.

Wohl gut 300 Mal haben wir bei Marathons dankbar Labesstellen angelaufen und nach Wasser, Iso-Getränken, Gels oder einem kühlenden Schwamm gegriffen. Als unsere Nachbarin fragte, ob wir in der "Nacht der Nächte" mithelfen würden, die Verpflegungsstelle Scheunenberg zu betreuen, sagten wir deshalb gerne zu und waren gespannt darauf, auf der anderen Seite der Laufstrecke aktiv zu sein.



Bereits um halb acht Uhr beginnen wir am Freitag Abend im 12er Team mit den Vorbereitungen, obwohl sich die 100-km-Läufer erst um 22 Uhr auf den Weg machen, die Marathonis eine halbe Stunde später folgen werden, und wir die ersten Gäste erst gegen Mitternacht erwarten.



Bis es zu dämmern beginnt sind wir mit Toitoi-Häuschen Schieben, Marktstände Aufstellen, Beleuchtung Installieren und Kisten Schleppen beschäftigt.



Bevor wir den Läufern die Tische decken, dürfen wir uns im gegenüber liegenden Restaurant Sonne stärken.



Die Männer holen in der nahen Käserei in 50-Liter-Milchkannen heisses Wasser für die Zubereitung von Bouillon, und rühren mit grossen Schneebesen Iso-Getränke und Sport-Tee an. Es gilt auch kistenweise Orangen, Bananen, Brot und Riegel in mundgerechte Stücke zu schnippeln und reihenweise Becher mit Getränken zu füllen.




Die Arbeit im Team macht grossen Spass, und kurz vor Mitternacht steht alles bereit für die erwarteten gut 1000 Ultra-Läufer, knapp 200 Marathonis und etwa 300 Staffeln oder Patrouillen. Wir greifen selber zu einem Becher Energiespender und halten dann gespannt nach hüpfenden Lichtpunkten Ausschau.


Der erste Läufer und spätere Zweite des 100-km-Wettbewerbes ist zu schnell für meine kleine Sony-Kamera. Dank Rad-Begleitung kann er unseren Posten links liegen lassen, wie die folgenden Spitzenläufer auch.



Als erster "Kunde" besucht ein Rad-Coach unseren Stand um das Energie-Angebot für seinen Schützling zu ergänzen.



Bis um halb eins bleibt es ziemlich ruhig, und wir haben Zeit jedem einzelnen Sportler Beifall zu klatschen und ermunternden Zuspruch mit auf den Weg durch die lange Nacht zu geben.


Dann kommen die Läufer in immer dichteren Strömen und grösseren Schwärmen. Viele der 100-km-Absolventen nehmen sich Zeit, sich ausgiebig zu verpflegen, und der eine oder andere gönnt sich gar eine Pause und erzählt gerne von seinem reichen Lauf-Erfahrungs-Schatz. Doch die ersten Marathonis und Staffelläufer schiessen wie geölte Blitze durch die Reihen, schnappen sich schnell einen Becher Wasser oder Iso und sind schon wieder weg. 




Zwischen ein und drei Uhr schwitzen wir mit den Läufern um die Wette und haben alle Hände voll zu tun. Manchmal schaffen wir es nur knapp, genügend gefüllte Getränke-Becher aufzustellen. Die grossen Milchkannen, aus denen wir das begehrte Nass schöpfen sind immer schnell wieder leer. Die Nacht ist warm, der Durst sehr gross und der Weg bis zum nächsten Verpflegungsstand über sieben Kilometer weit!

Oft strecken uns die Sportler direkt ihre leeren Trinkflaschen oder Wasserblasen zum Befüllen mit dem Litermass entgegen. Es ist spannend zu sehen, dass die Verpflegungsstrategien so unterschiedlich sind wie die Läufer auch. Gel oder Iso werden oft mit Wasser verdünnt, da und dort geheimnisvolle Pülverchen in Flüssiges gemischt, und je länger die angestrebte Laufstrecke ist, desto eher greift man in die Becken mit fester Kost. Nur die Lust auf "Hopfentee" können wir nicht stillen.



Viele Marathonis und Staffelläufer fragen, wie weit es noch sei bis zum (Etappen)-Ziel - und meist wirkt unsere Antwort - "nur noch 7 Kilometer" - nicht als Aufsteller.


Unsere Achtung vor den freiwilligen Helfern wächst in diesen Stunden! Niemals hätten wir erwartet, dass so viel Aufwand nötig ist, Läufern einen optimalen Service zu bieten. Wie oft haben wir die reibungslose Verpflegung als selbstverständlich hingenommen, ohne darüber nachzudenken, welch grosser Einsatz dafür im Hintergrund geleistet werden muss! Unvorstellbar, wie es gelingt, bei grossen Städteläufen oder im unwegsamen Gelände beim Jungfrau-Marathon alle zu versorgen!


Wir bemerken kaum, wie die Zeit verfliegt und bleiben hellwach. Als der grosse Ansturm vorüber ist, sind wir erstaunt, dass es schon fast vier Uhr ist. Nicht nur die Arbeit ist der Grund dafür, sondern vor allem das lustige Zusammensein mit dem tollen Team und die spannenden Begegnungen mit den Läufern. Sie sind für jeden Schluck Wasser dankbar und oft zu Spässen aufgelegt.


Diese beiden Millitär-Patrouillen haben in ihren schweren Stiefeln noch einen halben Tagesmarsch vor sich. Mittlerweile weht ein kühler Wind, und je länger der Anlass dauert, desto vielfältiger werden die Geschichten, die wir erleben. Da ist der Läufer, der schon zum 40. Mal dabei ist, eine blinde Frau mit Guide und Coach, der Erstling der von Krämpfen geplagt gegen den Gedanken aufzugeben ringt, eine Frau mit Krücken und jene, die versuchen, wenigstens bis zum Ende der nächsten Teilstrecke in Oberramsern dem Besenwagen davon zu eilen.




Bis die letzten Teilnehmer ankommen, bauen wir bereits zwei der drei Marktstände ab und sammeln den Abfall ein, während zwei gestrandete Marathonis entkräftet und vor Kälte zitternd in Militärwolldecken eingehüllt auf den Rücktransport nach Biel warten.

Wir sind froh, dass sich kein ernster Zwischenfall ereignet hat und der Defibrilator zusammen mit dem übrigen Material wieder verstaut werden kann. Der Abbau der Tische geht fix von der Hand, und um eine eindrückliche und spannende Erfahrung reicher können wir bereits um fünf Uhr zuhause in die Federn schlüpfen.


Samstag
Nach fünf Stunden Schlaf gönnen wir uns ein gemütliches Frühstück, doch das schöne Wetter lässt uns am Mittag selber sportlich aktiv werden. Wir schwingen uns auf die Mountainbikes, da sich die Beine nach der langen, durchwachten Nacht so anfühlen, als hätten wir auch einen Marathon absolviert.

Um auf die 100-km-Strecke zu gelangen und noch einmal in die "Bieler-Lauftage-Welt" einzutauchen, rollen wir nach Lyss. Dann gehts nach Ammerzwil und zu den Störchen in Grossaffoltern, wir radeln ins Limpachtal und zu "unserem" Verpflegungsposten in Scheunenberg, von dem bereits kaum mehr eine Spur auszumachen ist.






Voller Hochachtung denken wir an die Ultraläufer, als wir zwischen Etzelkofen und Jegenstorf einen Hügel überwinden - einige von ihnen sind wohl immer noch unterwegs.



Bis nach Jegenstorf folgen wir gemütlich ihren Spuren, dann nehmen wir den kürzesten Weg nach Hause, damit unsere Tour nicht viel länger als ein Marathon werde.

Sonntag
Das Körpergefühl erinnert nach dem zurückliegenden Nachteinsatz weiterhin an Jetlag, und das gewittrige Wetter wirkt sehr schweisstreibend. Unser erster Longrun nach dem Winterthur-Marathon ist noch sehr harzig. Wir freuen uns zwar über die blumige Kulisse am Wegrand und sind doch froh, als wir nach gut zwei Stunden wieder zuhause ankommen und das äusserst intensive Wochenende mit der Familie ausklingen lassen können.





Samstag
45.7 km Biketour 20.5 km/h / Puls 117
+/- 495 hm / 24° schön, heiss, leichter WSW-Wind


Sonntag
22 km Longrun 5:48 Min./km / Puls ?
+/- 165 hm / 22° schön, gewittrig heiss, sanfter N-Wind