Donnerstag, 20. Juni 2013

Mit der Angst im Nacken

Wir haben uns den ersten vorsichtigen "Tempo"-Dauerlauf nach dem Stockholm und Nacht-Marathon vorgenommen. 8 Kilometer wollen wir in ca. 5:20 Min./km zurücklegen, um den noch etwas müden Beine wieder einen ökonomischeren Stil zu lehren.

Beim Einlaufen scheint die Sonne und es ist drückend heiss. Bevor wir das Tempo erhöhen, blicken wir uns um. Im Westen sind dunkle Wolken zu sehen, die wie ein breites Band daherkommen. Wir werden keine Stunde mehr unterwegs sein und es bestimmt trocken nach Hause schaffen, denken wir ...

Nach zwei schnelleren Kilometern blicken wir erneut über die Schultern. Die Wolkenwand ist bedrohlich schwarz geworden, sie scheint sich von Bern bis zum Jura zu erstrecken, und Wind kommt auf. Dieser treibt uns auf dem nächsten Kilometer über eine flache Ebene. Wir biegen um eine 90° Kurve. Da bemerken wir schon recht starke Böen von der Seite. Es rauscht bedrohlich im Wald. Während Andi die entfesselten Naturgewalten geniesst, kommt bei mir ein ungutes Gefühl auf. Wir hoffen, das Unwetter ziehe an uns vorbei. 

Als wir nach einem Kilometer den Wald durchquert haben, reissen uns heftige Sturmböen beinahe die Beine unter dem Körper weg. Die Füsse sind kaum mehr zu steuern, landen irgendwo. Noch 500 Meter aufwärts bis zum Wendepunkt, wir heben beinahe ab.

Wir drehen um, es geht abwärts, und wir müssen uns doch mit ganzer Kraft dem Sturm entgegen stemmen. Staubschwaden wirbeln durch die Luft. 
Nun zurück durch den Wald, die Stämme biegen sich bedrohlich. "Pass auf die Bäume auf", ruft Andi hinter mir, während Laub und kleine Äste auf die Strasse niederprasseln. Jetzt kriege ich es wirklich mit der Angst zu tun. Bestimmt bricht das Gewitter gleich los. Über die ungeschützte Ebene will ich nicht zurücklaufen.

Wir rennen ins Dorf Bangerten hoch, den schützenden Häusern entgegen. Der Wind trägt die Erde eines frisch bestellten Feldes in einer dichten Wolke fort. Wir werden intensiv sandgestrahlt. Extrem tief fliegende Wolkenfetzen rasen fast direkt über unsere Köpfe hinweg.
Wir erreichen den höchsten Punkt, nun geht es dem Wald entlang abwärts. Die ersten Tropfen fallen und Blitze zucken. Doch der Donner lässt sich Zeit. Das Zentrum des Unwetters muss weiter weg liegen.
Heftiger Gewitterregen setzt ein. Die dicken Tropfen und der starke Wind rauben uns die Sicht. Zum Glück geht es abwärts, und wir kommen gut voran - nur schnell nach Hause!

Schon wird es wieder heller. Auf dem letzten Kilometer tröpfelt es nur noch. Der sanfte Sommerregen ist nicht unangenehm. Wir entspannen uns wieder und geniessen den Rest des Trainings. Als wir die Stoppuhren anhalten, sieht man zwischen den hohen Wolkentürmen schon wieder ein paar Flecken blauen Himmel.


Wie viel Glück wir gehabt haben, wird uns erst bewusst, als wir spät abends im Internet Nachrichten lesen. Was wir miterlebt haben, war eine gigantische Superzelle, die von Genf über den Jura bis in die Nordschweiz zog. Das äusserst heftiges Unwetter dauerte lediglich eine Viertelstunde. Dabei fegten so starke Orkanböen über's Land, dass im 20 Kilometer entfernten Biel am Eidgenössischen Turnfest Dutzende Personen verletzt wurden, als ein Festzelt vom Wind zerstört wurde.

10 km Mitteltempo 5:12 Min./km / Puls 144
in 12 km 5:19 Min./km / Puls 141
+/- 115 hm
26-16° während Temperatursturz, vorbeiziehende Superzelle

Track http://connect.garmin.com/activity/330723620

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