Ein Bilderbuch-Marathon trotz wolkenverhangener Bergwelt
Einen Bergmarathon zu laufen war nicht das Ziel, als wir Mitte April wieder ins Marathon-Training einstiegen. Wir hatten uns erneut den Vindelälvsloppets Marathon entlang des Flusses Vindelälven in Nordschweden vorgenommen. Vor zwei Wochen wurde dieser jedoch abgesagt, da sich nur vier Läufer angemeldet hatten. Der Lauf Guide von Swiss Athletics schlug am Tag X den Zermatt Marathon als Alternative vor. Da wir statt eines Test-Halbmarathons anfangs Juni die zweite Hälfte des Jungfrau Marathons gelaufen waren, um die Strecke einem Laufkollegen zu zeigen, erschien das Bergabenteuer am Fusse des Matterhorns als Sightseeing-Lauf machbar.
Am Freitag Nachmittag reisen wir per Wohnmobil und Autozug durch den Lötschberg ins Wallis und holen im Schulhaus von St. Niklaus die Startnummern ab. Diese enthalten grosszügigerweise zusätzlich zum Zeitmesschip auch eine 3 Tages-Gratis-Fahrkarte für die öffentlichen Verkehrsmittel der Region.
Gerne nehmen wir die Gelegenheit wahr von der Matterhorn Gotthard Bahn aus die erste Hälfte der Marathon-Strecke zu begutachten, am Abend gemütlich durch Zermatt zu bummeln und einen kurzen Blick aufs Matterhorn zu erhaschen, bevor die Wolken den weltweit bekannten Berg wieder verhüllen.
Gerne nehmen wir die Gelegenheit wahr von der Matterhorn Gotthard Bahn aus die erste Hälfte der Marathon-Strecke zu begutachten, am Abend gemütlich durch Zermatt zu bummeln und einen kurzen Blick aufs Matterhorn zu erhaschen, bevor die Wolken den weltweit bekannten Berg wieder verhüllen.
In der Nacht fällt Regen aufs Womo-Dach, doch am Morgen ist es trocken und angenehm kühl, als wir uns auf der Talstrasse in St. Niklaus auf 1116 müM ins Startfeld stellen. Die Trail-Ausrüstungen, Bergmarathon- und Ultra-Finishershirts der Mitläufer lassen mich einen Moment zweifeln. Da fällt um 8:30 Uhr schon der erste Startschuss für die Elite. Die Staffelläufer gehen 5 Minuten später auf die Strecke und der Rest des Marathon- und Ultra-Feldes darf um 8:38 Uhr lostraben. 42.195 Kilometer und 1944 Höhenmeter erwarten uns (das Ziel der Ultraläufer ist der 45.6 Kilometer entfernte Gornergrat auf 3089 müM).
Sofort zeigt die Strecke ihren Charakter. Durch die Gassen von St. Niklaus geht es aufwärts, und wir landen nach wenigen hundert Metern auf dem kupierten Vita Parcours des Ortes. Kein gemütliches Einrollen wie beim Jungfrau Marathon - bis zur Halbmarathon-Marke gilt es bereits 600 Höhenmeter zu überwinden.
Die Rollende Tribüne, ein Extrazug für die Begleiter der Läufer überholt uns kurz bevor wir den Stausee von Mattsand erreichen.
In Herbriggen - 4.8 Kilometer / 1250 müM - stehen zum ersten Mal Wasser und Tee bereit.
Malerisch verläuft der Weg entlang der Mattervispa, steil ragen die Felswände in die Höhe, Bäche rauschen, und manchmal ist mir sogar unser Sightseeing-Trott zu schnell. Auf der einen Seite der Strecke stehen im Weiler Lerch wunderschöne alte Speicher, die auf Stelzen und Steinplatten ruhen, um Mäusen den Zugang zu verwehren, während auf der anderen Talseite der imposante Schuttkegel des grossen Bergsturzes von 1991 beeindruckt.
Mit viel Applaus und Kuhglockengeläut werden wir in Randa - 10.5 Kilometer / 1400 müM - angefeuert und am Verpflegungsposten bestens versorgt. Das Angebot wird von Station zu Station reichhaltiger.
Die Zufahrt für den Privatverkehr ist nur bis Täsch gestattet - 15.8 Kilometer / 1450 müM. Zermatt ist autofrei. Ohne spezielle Bewilligung geht es ab hier nur mit der Bahn weiter. Die Autos finden im grossen Parkhaus Matterhorn Terminal am Bahnhof Platz, und für Camper gibt es gleich gegenüber einen preiswerten Campingplatz. Von dieser Infrastruktur nehmen wir allerdings kaum Notiz, da der Marathon durch den pitoresken alten Ortskern führt.
Powerwandernd geht es durch den Tunnel oberhalb von Täsch aufwärts bevor wir die Strasse verlassen. Schlangengruebe wird die folgende Passage genannt. Über den Hohsteg gelangen wir auf die andere Seite der Mattervispa, die sich tief unter uns tosend durch die Schlucht zwängt.
Ein Blick zurück, bevor wir auf und ab über Stock und Stein Zermatt entgegen laufen. Der Pfad verläuft entlang der Matterhorn-Gotthard Bahnstrecke manchmal in luftiger Höhe oder auf dem Dach der Galerien.
Bevor es zum Bahnhof hinunter geht, kommen wir an der Basis der Air Zermatt vorbei.
Zermatt - 20.5 km / 1616 müM. Vorbei am Festzelt führt uns die Bahnhofstrasse hinein in den berühmten Ferienort am Fusse des wohl meistfotografierten Berges der Welt. Doch das Matterhorn will sich heute nicht zeigen.
Wir kommen am Restaurant Weisshorn vorbei. Hier hatten wir gestern eine mit Rauchlachs belegte ausgezeichnete Rösti genossen - offenbar genau den richtigen Energiespender für das heutige Vorhaben. Wir nehmen uns vor, am Abend zurückzukehren, waren wir doch auch äusserst freundlich bedient worden.
Die Wendeschlaufe durch Zermatt führt südwärts zur Zmuttbachbrücke und entlang des betonierten Bettes der Mattervispa wieder zurück in den Ort - 24.8 km / 1604 müM.
Nach ein paar Kurven liegt Zermatt schon tief unter uns, es geht steil bergan, und bald umgibt uns wieder die Stille der Natur.
Kurz vor dem nächsten Verpflegungsposten - Patrullarve - 28.8 km / 2000 müM - hat sich ein Läufer hingelegt und klagt über Übelkeit. Die Helfer sind zum Glück nicht weit. Neben Freiwilligen ist auch der Zivilschutz im Einsatz. Wir schnappen uns einen Becher Cola und nehmen die nächste Rampe in Angriff.
Tufteren - 2215 müM.
An Sunnegga vorbei - 31.7 km / 2280 müM - gelangen wir zum seichten, grünen Leisee.
Jetzt liegt ein spektakulärer Abschnitt auf dem 5-Seenweg vor uns.
Tief unten leuchtet der Mosjesee wie ein Smaragd, während wir bis auf ca. 2365 müM hochsteigen.
Die nächsten fünf Kilometer verlaufen abwärts und wir können es auf Moränenwegen und Schotterstrassen oft rollen lassen.
Die hochalpine Landschaft ist eindrücklich und erinnert mich nach der Überquerung des hier noch jungen Findelbaches gar einen Moment an Schweden.
Manchmal ist auf steinigen Passagen über rutschige Felsplatten Vorsicht geboten.
Kurz vor Riffelalp - 39.1 km / 2222 müM - ein Blick in die Tiefe nach Zermatt.
Jetzt geht es richtig zur Sache - wie ein Adlernest klebt die Strecke der Gornergrat-Bahn am Hang - da müssen wir hoch! Die letzten drei Kilometer sind buchstäblich atem(be)raubend.
Wir erreichen Riffelberg und hören den Speaker, doch es geht vorerst noch weiter bergan.
Vorbei an der Bruder Klaus Kapelle scheint der Pfad direkt in den Himmel zu führen ...
Wir lassen die Ultraläufer gerne ziehen. Abwärts geht's dem Ziel auf 2585 müM entgegen. Nach 6 Stunden und gut 3 Minuten stoppen wir unsere Uhren. Noch nie waren wir laufend so lange unterwegs gewesen. Aber kaum ein anderer Marathon hat uns glücklicher gemacht!
Das Angebot die Strecke noch einmal abfahren und genauer studieren zu können ist genial. Die eigene Leistung ist so einfacher zu begreifen und einzuorden. Mühsam und quietschend rattert die Zahnradbahn den Berg hinan - unwirklich scheint, dass wir gestern den ganzen Weg zu Fuss bewältigt hatten!
Die Ultraläufer waren gar noch 500 weitere Höhenmeter durch die immer dünner werdende Luft bis zum Gornergrat "geklettert", wo sich diese Aussicht auf die Gletschwerwelt bietet!
Auf dem Rückenweg machen wir auf dem Riffelberg halt, gehen noch einmal bewusst die letzten Meter bis ins Ziel, spazieren über Blumenwiesen, besuchen die süssen Schwarznasen Schafe, und ...
... während wir eine stärkende Gerstensuppe löffeln, guckt das Matterhorn doch noch einen Augenblick zwischen den vorbeiziehenden Wolken hervor.
+ 1944 hm / - ca. 450 hm
19. von 38 W50
97. von 169 Frauen
436. von 650 Marathonis