Der Flieger, welcher uns von Stockholm nach Nordschweden bringt muss ganze vier Wolkenschichten durchdringen, bevor wir in Umeå landen. Die Wetteraussichten für unsere fünf Tage in Lappland sehen buchstäblich düster aus. Trotzdem hält uns nichts im Haus.
Der Drang unsere Lieblingsplätze im Winterkleid zu sehen ist grösser. Mit den dick gefütterten Winterstiefeln gehts auf Erkundungstour durchs Dorf. Wir staunen nicht schlecht, dass sich wenige Meter hinter der Schule eine grosse Rentier-Herde versammelt hat.
Endlich können wir die Langlaufski aus dem Keller holen. Der alte Weg in die Stadt taugt bestens für erste, wackelige Skating-Schritte ...
... und die gemütliche Grill-Hütte am See Gäddträsk lädt darauf zum Brutzeln eines nahrhaften "Zmittags" ein.
Vielleicht erscheint es eigenartig, dass die immer gleichen Plätze uns stets von Neuem zu faszinieren vermögen. Doch im Wechsel von Jahreszeiten, Licht und Wetter erscheinen sie immer wieder anders fesselnd!
Der See Lycksträsk ist bei Lauftrainings oft unser Ziel. Nun hat er gar einen Eisweg zu bieten! Der Nordwind treibt puderfeine Eiskristalle rieselnd vor sich her und verweht die Spuren der Spaziergänger, während wir auf einen farbenfrohen Sonnenuntergang hoffen.
Wir denken schon, dass daraus nichts werde und setzen uns in Auto ...
... als plötzlich der Himmel buchstäblich zu glühen beginnt!
Ein Spurt zurück zum Ufer des Sees beschert uns ein märchenhaftes Himmelsschauspiel. Eiskristalle in der Luft schaffen über der untergehenden Sonne eine Lichtsäule.
Als krönenden Abschluss äsen am gegenüberliegenden Hang zwei Elche im schwindenden Abendlicht.
Der nächste Tag würzt unsere 3 x 5 x 40 Sekunden Intervalle mit einem Schneesturm - und die Nachbarn schütteln voller Unverständnis den Kopf, als wir uns gegen Abend aufmachen, durch mittlerweile etwa 40 cm Neuschnee zu stapfen, um unser Kanu-Revier - den Tannbäcken - zu besuchen. Der Fluss hält unter einer dicken Eis- und Schneeschicht Winterschlaf.
Angesichts der grossen Schneemengen sind wir froh, dass beim Skigymnasium die Loipe um den See Långtjärn schon frühmorgens gespurt ist.
Nach so viel Spazieren, Schnee-Stapfen, Skaten und ersten schnellen Intervallen sind unsere Beine müde, und der Respekt vor dem geplanten Halbmarathon Longrun (dem zweiten seit der Laufpause), ist angesichts der schneebedeckten Strasse gewaltig.
Die Spikes greifen jedoch nicht schlecht, wir nehmen es gemütlich, und das unterwegs Sein durch die tief verzuckerte Landschaft ist so fantastisch, dass sich zum ersten Mal seit Monaten ein herrlicher, tragender "Flow" einstellt.
Wir lassen den schmalen Siedlungsstreifen hinter uns und tauchen ein in den märchenhaft verschneiten Wald. Wenn wir stehen bleiben ist die Stille nahezu absolut - man kann lediglich hören, wie sich die zarten Schneeflocken auf Mützen und Jacken setzen.
Auch der See Lilltannträsk ruht unter seiner weissen Winterdecke, und kaum ein Auto begegnet uns auf der langen Gerade durchs "Schwanen-Moor" zum Urwald von Tuggensele. Am liebsten würden wir auf unserer Marathon-Strecke noch lange weiterlaufen ...
Nach 18 Kilometern müssen wir in die Zivilisation zurückkehren. Die Wolken lichten sich endlich, und der blaue Himmel zeigt sich.
21.1 km Longrun mit Spikes auf Pulverschnee
6:07 Min./km / Puls 140
+/- 100 hm, -4° leichter Schneefall, 3 km/h NNW-Wind
Track https://connect.garmin.com/modern/activity/1050209878
Beim abendlichen Spaziergang über den Eisweg auf dem Umeälven in Lycksele ist am Horizont ein fahler Lichtstreifen auszumachen ...
... und in der Nacht kommen endlich Mond und Sterne hervor. Stativ und Fotoapparat stehen bereit, falls Nordlicht zu sehen wäre.
Extra früh stehe ich auf, um noch eine Weile den Nachthimmel absuchen zu können. Bereits um sechs Uhr bin ich unterwegs. Der Schnee knirscht herrlich unter den Stiefeln und mein Atem schlägt sich als Reif auf den Haaren nieder, die aus der Mütze hervor gucken.
Die Dämmerung bricht bereits an, die Sterne verblassen und das Dorf erwacht. Fasziniert spiele ich mit langen Verschlusszeiten, verschiedenen ISO- und Blendenwerten, kämpfe mich durch die tief verschneite Landschaft, knie im kalten Weiss und versuche die bezaubernde, berührende Schönheit der "blauen Stunde" festzuhalten.
Langsam schiebt sich Nebel über den Fluss kurz bevor die Sonne aufgeht, und als ich nach zwei Stunden wieder zuhause ankomme, kann ich es kaum glauben, dass das Thermometer klirrende Kälte von -20° anzeigt!
Unsere letzten Ferien-Stunden sind fast schmerzhaft schön! Für einen letzten Spaziergang über die Bucht und auf einer Scooter-Spur durch den Wald reicht es noch ...
... dann wartet der Flieger nicht länger. Der Sonnenuntergang hält an, bis wir in Stockholm landen. Und wir hoffen, dass diese faszinierende, bewegungsreiche Woche der Auftakt zu einem gesundheitlichen und sportlichem Aufschwung sein darf!
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