Samstag, 14. Juni 2014

Nachtmarathon Bieler Lauftage 2014

Die Stunden des Freitags dem 13. ziehen sich endlos. Besonders der Nachmittag will nicht vergehen! Das Warten auf den Startschuss zum Nachtmarathon lässt mich kribbelig werden. Um 19 Uhr geht endlich etwas - Hugo trifft ein. Mit drei Autos fahren wir nach Oberramsern, zwei Fahrzeuge lassen wir eingangs Dorf unter den Bäumen einer Allee stehen, damit wir nach dem Lauf nicht mit dem Shuttle-Postbus zurück zum Start fahren müssen, und Andi chauffiert uns nach Biel.

Nachdem sich Hugo für den Marathon nachgemeldet hat, verbleiben immer noch zwei Stunden bis zum Start! Im Festzelt treffen wir die lätti runners Diana und Lenka (sie wird ihren ersten Halbmarathon laufen) und Fränzi, die heute als unser Coach dabei ist. Die Hochsommerwärme lässt uns deziliterweise Wasser trinken, und unser Plaudern und Fachsimpeln wird durch manchen Toi-Toi-Besuch unterbrochen.



Die Radbegleiter der 100-Kilometer-Läufer werden auf den Weg geschickt. Wir geben unsere Rucksäcke für den Transport nach Oberramsern ab und laufen ein paar hundert Meter auf der Laufstrecke ein. Ein sanftes Lüftchen weht, die Häuserreihen und Strassen strahlen aber noch die Sonnenwärme des Tages ab, und nach wenigen Minuten Anstrengung ist mir so warm, dass ich an einem Brunnen Halt mache, um meine Haare und das Shirt zu benetzen.



Rechtzeitig zum stimmungsvollen Start der Hauptakteure der Bieler Lauftage sind wir zurück beim Kongresshaus. Um 22 Uhr beginnt ihre lange Reise, die bis zum Morgen oder gar Nachmittag dauern wird! Während das Riesenfeld der 1'360 gemeldeten 100-Kilometer-Läufer am begeisterten Publikum vorbeiströmt, erscheint unser Vorhaben 42.2 Kilometer zu bewältigen plötzlich wie eine Banalität. Andererseits wundern wir uns, wer sich alles ins Feld der Ultraläufer reiht. Nicht allen ist die Fähigkeit die 2.5-fache Marathon-Distanz zurückzulegen anzusehen, und gewisse Ausrüstungen sind mehr als abenteuerlich.



Bald stehen wir unter 170 Marathonis und knapp 800 Halbmarathon-Läufern selber vor dem Startbogen. Die bevorstehende Herausforderung wirkt unvermittelt überhaupt nicht mehr banal! Die laufende Uhr wechselt zur Countdown-Anzeige 10-9-8-7...3-2-1, und mein Herz schlägt bis zum Hals. Ich fühle mich stark und übermütig. Gleichzeitig flösst mir die annähernd tropische Nachttemperatur von 21° einen Heidenrespekt ein. Punkt 22:15 Uhr sind wir unterwegs.



Biel - Port - km 10
Im Gegensatz zu den Ultraläufern drehen wir zwei Runden durch die grösste zweisprachige Stadt der Schweiz und legen dabei gut sieben Kilometer zurück. Entlang des Flüsschens Schüss geht es ostwärts zum Stadtpark und zum Omega Museum, und in der anderen Richtung zu bunt mit Werbeleuchtschildern illuminierten Einkaufsstrassen und um den Kreisel beim Volkshaus "Rotonde". 

Wir sind bemüht unser Tempo zu finden. Die drei Garmins zeigen zwischen den Häuserzeilen stark schwankende und völlig verschiedene Geschwindigkeiten an. Trotz prima Stirnlampenlicht kann ich meine Uhr kaum ablesen, muss mich auf Andis Zwischenzeit-Berichte verlassen, und ich ahne, dass die Pulswerte, die ich mir auf dem Arm notiert hatte, wegen der Wärme bereits Makulatur geworden sind. Ich werde enorm durstig und trinke alle paar Minuten.

Letztes Jahr schien mir die Stadt belebter, und die Tatsache, dass wir das 1. und 3. Kilometerschild des Ultralaufes zwei Mal passieren, weckt nicht eben den Eindruck, dass wir zügig vorankämen.
Die Restaurants und Strassencafés sind noch sehr gut besetzt, und plötzlich tost uns aus einem Lokal überwältigender Applaus und Jubel entgegen. Er ist jedoch nicht an die Läufer gerichtet. Die Fussball WM in Brasilien stiehlt uns ein wenig die Show, die frenetische Begeisterung gilt dem 5:1 Traumtor im Spiel Niederlande gegen Spanien ...


Endlich entlässt uns der lang ersehnte Wegweiser aus der Welt-Uhren-Metropole. Wir können es kaum erwarten aufs Land und an die frische, kühle Luft zu kommen!
In den Aussenquartieren sind noch erstaunlich viele Familien aller Hautfarben und Nationalitäten auf den Beinen - reihenweise Kinder-Händchen zum Abklatschen und Zuspruch in den verschiedensten Sprachen! "Ce n'est plus loin!", ruft uns jemand aus einem Gartenrestaurant zu. Wenn es doch wahr wäre! Unser Lauf fühlt sich anspruchsvoll an, es ist noch keinen Hauch kühler geworden. Nur mehr jeder fünfte Kilometer ist markiert und nach deren 10 ist eine Zwischenbilanz möglich. Wir sind etwas schneller als geplant unterwegs - 52:13 Minuten - 5:13 Min./km.




Port - Aarberg - km 21.1
Jetzt geht es zur Sache, wir werden automatisch gebremst! Sanft beginnt die Strecke in Port über das Regulierwehr des Nidau-Büren Kanals zu steigen. Auf gut zwei Kilometern erwarten uns bis Bellmund 100 Höhenmeter. Nach wenigen Minuten blicken wir über die Schultern zurück und machen Hugo auf das schöne Lichtermeer von Biel aufmerksam, das sich zu unserer Rechten vor der Jurakette ausbreitet. Unbeschwert kann er die Aussicht nicht geniessen. Wie aus heiterem Himmel plagen ihn Bauchkrämpfe, und er fragt besorgt, ob der Anstieg noch steiler werde...

Während Andi und ich oben angekommen über die Hügelkuppe gleiten, wechseln wir ein paar Worte mit einem grossen Läufer, der ein knallgelbes Shirt trägt. Schon viele Male hatten wir uns gegenseitig überholt, wünschen einander nun einen guten Lauf, und beginnen die steile Strasse nach Jens hinunter zu rollen. 
Das "Klettern" hatte mir zugesetzt, riesiger Respekt vor der zweiten, höhenmeterreichen Passage, die auf Kilometer 26 - 30 folgen sollte, blitzt auf. Der "Gratis-Kilometer" hinunter ins Gemüseland vertreibt die düsteren Gedanken, beschert mir aber hartnäckiges Seitenstechen.

Unten angekommen füllen wir am Verpflegungsposten die Trinkflaschen auf, und ich suche vergebens nach einem Becken, in das ich meinen Schwamm tauchen könnte. Um negative Gedanken zu verbannen nehme einen ersten, winzigen Schluck Gel. Augenblicklich scheint mein Magen wie zugeschnürt. Ab diesem Moment fällt mir sogar das Wasser Trinken schwer, zusammen mit dem Seitenstechen eine buchstäblich üble Sache...

Jetzt geht es auf den Beton-Fahrweg zwischen die Felder hinaus. Der Vollmond versteckt sich noch hinter dichten Schäfchenwolken und zaubert magische Lichtstrahlen an den Nachthimmel.
Wir schauen uns ständig um, damit wir Hugo nicht verlieren, fragen nach seinem Befinden und hoffen, es gehe ihm bald besser. Diana überholt uns, wie viele andere schnelle Halbmarathonis, deren Füsse auf dem knochentrockenen Jura-Kiesweg viel Staub aufwirbeln. Ein heller Halogen-Lichtkegel kündet das Begleit-Fahrrad des führenden Staffelläufers an, der bald mit ausgreifenden Schritten vorbeiprescht. Ich schlüpfe an einer Mitläuferin vorbei, die ebenfalls eine 42.2 km Markierung am Rücken trägt, und hoffe ehrgeizig, dass sie mir nicht folgen könne. Wir holen immer mehr 100 Kilometer-Läufer und marschierende Soldaten in Tarnanzug und schweren Stiefeln ein. Ein äusserst bunt gemischter Umzug von Sportlern mit den unterschiedlichsten Zielen und Ambitionen bewegt sich durch die "Nacht der Nächte". Hundert Meter vor und hinter uns hüllt die Dunkelheit die Läufer ein. Nur der langsam dahin fliessende Strom von roten, weissen und reflektierenden Licht-Punkten zeugt von deren Anwesenheit. Ein faszinierendes Bild!


Am Ortsrand von Kappelen werden wir von einem halben Dutzend Alphornbläsern empfangen, beim Restaurant Kreuz steht ein Festzelt, und das angekündigte Volksfest zu Ehren des 100ers ist in vollem Gange. Die engagierte Unterstützung und das ehrliche Interesse der Bevölkerung an "ihrem" 100er ist sehr motivierend und berührend. 

Feierlaune will sich bei mir nicht einstellen. Auf der breiten Strasse nach Aarberg wirkt das Tempo langsamer als auf den schmalen Feldwegen, meine Energie schwindet rasch und das flaue Gefühl im Magen nimmt zu. Ich weiss, dass Fränzi am Stadtrand wartet um uns Wasserflaschen zu reichen. Der Gedanke bereits hier ins Ziel zu laufen und Fränzi darum zu bitten, mich nach Hause zu chauffieren, ist äusserst verlockend. Als wir einander begegnen, schenkt ihr Zuspruch einen Funken Kraft, ich fasse die Wasserflasche, fülle meinen Vorrat auf, kühle mit dem Rest meinen Kopf und weiter geht's.



Tosender Applaus begleitet uns über die Jahrhunderte alte, berühmte, wunderschöne Holzbrücke und trägt uns in den kleinen Häuserkreis der Altstadt. Die Halbmarathon-Läufer spurten ins Ziel auf dem Marktplatz, auf dem bereits die Sieger dieses Wettbewerbs geehrt werden - Jubel ohne Ende! 
Unsere Zwischenzeit lautet 1:53:25 Stunden - 5:23 Min./km. Kaum haben wir die Zeitmessmatte passiert, sind die wenigen hundert Meter auf Kopfsteinpflaster zurückgelegt, und ein niedriges, enges Stadttor leitet uns aus dem Städtchen hinaus.

Aarberg - Ammerzwil - km 29
Am Verpflegungsstand schnappe ich mir einen Becher Cola und zwinge mich, einen kleinen Schluck zu trinken. Die Übelkeit weicht nur langsam und kurzfristig, ich fürchte Andi und Hugo zu sehr zu bremsen und möchte die beiden am liebsten auf den Weg schicken, ihr eigenes Rennen zu laufen. Andi besteht aber darauf, wie schon in den Trainingswochen zuvor ausgemacht, bei mir zu bleiben.

Ich bemühe mich Wasser zu trinken und meinen Körper wenigstens mit etwas Flüssigkeit zu versorgen. Mein Bauch möchte zu dieser späten Stunde aber lieber schlafen. Von den fünf Kilometern bis nach Lyss bleiben nur wenige Eindrücke hängen - der grosse Fledermaus-Schwarm, der im orangen Lichtschein einer Strassenlampe nach Insekten jagt oder das laute Froschkonzert beim Teich an der alten Aare. Dass der Vollmond nun vom klaren Himmel scheint und sein Silberlicht den Wald so intensiv durchflutet, dass man ohne Stirnlampe laufen könnte, entgeht mir zum Glück nicht. Wie hatte ich mich auf dieses Nachtlauferlebnis gefreut!

Wir kommen an der Verzinkerei vorbei, die offenbar nie ruht. Schichtarbeiter sind am Werk, und das Areal ist hell erleuchtet. Nach der Trennung von den Halbmarathonis hatten wir Einsamkeit erwartet, doch nun treffen wir immer häufiger auf Ultraläufer - mir scheint, dass wir wie im Traum an ihnen vorbeiziehen. Die meisten sind erstaunlich leichtfüssig trabend unterwegs, einige marschieren stramm und andere schleppen sich verschwitzt und schwerfällig voran.

Andi schwärmt später von der tollen Stimmung in Lyss. Ich kann mich weder an Musik, noch an das Publikum und die vielen Nachtschwärmer erinnern. Nur das Bild der Radbegleiter, die hier ihre Schützlinge erwarten ist noch präsent. Plötzlich schwenkt die Strecke nach links, und nach der Bahnunterführung erwartet uns die zweite, anspruchsvollere Hügelpassage.

Gleich zu Beginn ist die Steigung den Leuernweg hinan besonders knackig. Eine Familie kompensiert die Abwesenheit einer offiziellen Verpflegungsstelle in Lyss - abenteuerliche 8.5 Kilometer lang müsste man zwischen Aarberg und Ammerzwil ohne Treibstoff zurechtkommen! Viele greifen dankbar nach einem Becher Wasser.

Ich nehme auch einen kleinen Schluck und leere den Rest über den Kopf. Der Anstieg zwingt mich dennoch zu einer ersten Gehpause. Hugo's Bauchkrämpfe kommen weiterhin in Wellen. Sie scheinen ihn zurzeit etwas weniger zu hindern als mein Energiemangel mich bremst. Deshalb ermutige ich ihn noch einmal loszuziehen. Auf keinen Fall möchte ich ihn daran hindern, sein Minimalziel - eine sub 3:59 Stunden-Zeit zu erreichen. Bald ist er in der Dunkelheit verschwunden.

Andi bringt nichts aus der Ruhe. Weder die Wärme noch die späte Stunde beeindrucken ihn. Das häufige Reisen über mehrere Zeitzonen und das Hitzetraining in Dubai scheinen ihn abgehärtet zu haben. 

Das steilste Stück marschierend zurückzulegen ist wie eine Erlösung. Ich höre die Grillen im hohen Gras zirpen, und bald können wir einen weiten Blick über das Seeland geniessen. 
Diese Nacht ist ein Traum! Es scheint als ob Luna den Kopf zur Seite geneigt hätte und uns zulächeln würde. Unter dem Vollmond zu laufen ist noch schöner, als ich es mir vorgestellt hatte! 
Die Strecke wird flacher, ich kann wieder traben und im Strom der Lichtpunkte-Kette mitfliessen, die sich nun oberhalb der Schrebergärten der dunklen Silhouette des "Dreihubelwaldes" zu wendet (Hubel ist der Mundartausdruck für Hügel) ... 

Im Wald erwartet uns eine gespenstische Szene - helle Scheinwerfer, hektische Rufe, eilige Helfer! Zuerst vermute ich einen Notfall. Doch schnell geht mir ein Licht auf. Es handelt sich um die Überraschungs-Kontrolle. Die Läufer werden kanalisiert und jeder erhält einen Stempel auf die Startnummer gedrückt. Wir müssen kaum verlangsamen und können es auf der kurzen Abwärtsstrecke rollen lassen.

Schon erreichen wir das enge Tal bei Weingarten, und auf 350 Metern stellen sich uns abrupt 35 Höhenmeter entgegen. Wir wechseln in einen strammen Wanderschritt und treffen wieder den Läufer mit dem gelben Shirt. Gemeinsam überwinden wir den nächsten Graben und erreichen die Verpflegungsstelle beim Schulhaus von Ammerzwil, das uns mit Flutlicht erwartet.

Der reich mit Getränken, Brot, Früchten, Bouillon und Energieriegeln beladene Tisch scheint mir wie eine Oase in der Wüste, denn sie verspricht Rettung! Andi hatte mich angewiesen einen Becher Cola zu fassen und ihn ganz auszutrinken. Während er unsere Trinkflaschen auffüllt und mit Salz bestückt, gehe ich langsam weiter und nehme Schluck für Schluck. Und es ist wie ein Wunder! Der Magen nimmt die süsse Flüssigkeit an, und ich habe den Eindruck sofort zu spüren, wie sich nach 31 Kilometern praktisch ohne Energiezufuhr neue Kraft im ganzen Körper ausbreitet.

Ammerzwil - Oberramsern - 42.2 Kilometer
Mit neuem Schwung geht es leicht abfallend Grossaffoltern entgegen. Wir geniessen die zauberhafte und einmalige nächtliche Aussicht über die heimische Hügellandschaft, die einem Schwarz-Weiss-Gemälde gleich vor uns liegt. Wer hat schon Gelegenheit unter dem Vollmond praktisch vor der Haustüre einen Marathon zu laufen!?

Als wir uns an die Horste im Storchen-Dorf erinnern, sind wir schon daran vorbeigelaufen. Zu gerne hätte ich gewusst, ob Adebars vom Läufer-Strom Notiz nehmen. Andrea und Röbi, die es sich in Faltsesseln bequem gemacht haben, um die Läufer anzufeuern, verpassen wir zum Glück nicht. Mittlerweile ist es Viertel nach eins, und wir dürfen in den Dörfern immer noch mit auf reichlich Zuschauerzuspruch zählen. Vor den Restaurants stehen Festbänke direkt an der Strasse. In einer Feuerschale brennt knisternd eine Finnenkerze und verströmt warmes Licht. Viel schneller als erwartet ist die letzte Hügelkuppe bei Vorimholz überwunden.

Jetzt breitet sich unser Nachbartal vor uns aus. Hier trainieren wir oft und gerne. 250 Mal heller als in einer sternenklaren Neumondnacht beleuchtet unser Trabant die Gegend - atemberaubend schön liegt sie da. Das hochgewachsene Gras wogt im sanften Nordwind, Grillen und Heuschrecken geben ein Nachtkonzert, Kühe ziehen grasend dem Waldrand entlang und das Mondlicht verwandelt unsere Nationaltiere in silberne Fabelgestalten aus einer Fantasy-Geschichte.

Anhand der Lichtpunkte, die am Südfuss des Bucheggbergs entlang wandern ist schon das ferne Ziel zu erahnen. Abwärts rollt es gut. Sobald aber ein kleiner Buckel in der Strecke auftaucht, spüre ich, dass mein Körper so lange ohne Energie hat auskommen müssen. Ideal wäre es, beim Marathon nach gut einer Stunde Laufzeit alle drei Kilometer 10-15 Gramm Kohlenhydrate zuzuführen um die eigenen Energiespeicher zu schonen und die Ermüdung hinauszuzögern. Nun sind wir schon länger als drei Stunden unterwegs, und es ist mir im besten Fall gelungen 15 Gramm Zucker oder 60 Kalorien zu ergänzen ...

Ich sehne den Verpflegungsposten bei Kilometer 35 in Scheunenberg nicht nur wegen der Aussicht auf einen weiteren Becher Cola herbei. Hier ist unsere Nachbarin Beatrice als Helferin im Einsatz.




Zuerst bin ich enttäuscht, da wir sie nicht entdecken können. Per Zufall ist sie dabei Erinnerungsfotos zu machen, und so wird auch unser Vorbeilaufen dokumentiert.




Einen ganzen Becher Cola kriege ich nicht mehr runter, die Hälfte wandert in meine Wasserflasche. Gestärkt geht es wieder hinaus in die Nacht. Noch sieben schnurgerade Kilometer, die sich wie Wellenreiten anfühlen werden - mehrmals fünf Höhenmeter hoch und wieder runter - ein stetiges Auf und Ab ...

Der Feldweg bei Janzenhaus ist weniger staubig als beim Nacht-Run vor einer Woche. Auffällig viele Ultraläufer sind ohne Stirnlampe unterwegs. Bieler-Lauftage-Schilder, an denen Leuchtstäbe oder Blinklämpchen hängen, weisen uns den Weg, und als Zwischenziel dienen zwei von Generatoren betriebene Scheinwerfer. Diese helfen den Zivildienst-Leistenden, den Übergang über die Bernstrasse zu sichern. Ein Post-Shuttlebus rollt durch die Nacht.

Es dämmert uns, die Füsse in die Hand zu nehmen. Eine 3:59er Zeit könnte möglich sein. Auf der Hauptstrasse nach Balm läuft es sich einfacher. Andi ist und bleibt ein wunderbarer und geduldiger Pace-Maker. Immerhin schaffe ich noch unser Longrun-Tempo! Kreuz und Muskulatur geht es prima. Lediglich die Energie-Leere und die leichte Übelkeit, die bei jedem noch so sanften Anstieg wieder auftaucht, machen mir das Leben schwer. Ich bin nicht die einzige, der es schlecht ist. Am Wegrand steht ein Läufer, der seinen Magen nicht mehr unter Kontrolle halten kann. Balm, der nächste Weiler, will nicht näherkommen, zweieinhalb Kilometer können unendlich lang sein!

Am liebsten würde ich den Kopf in den Nacken legen und beim Laufen nicht aufhören, den Mond anzuhimmeln. Bald wird unser wohl speziellster Marathon zu Ende sein. Nun spüre ich aber wiederholt leichte Krämpfe in den Füssen und muss mich vorsichtig vorwärts tasten. Eine mächtige Linde ist der nächste Fixpunkt, dann geht es endlich durchs Dorf, das schnell durchquert ist.

Auf zur letzten Gerade - noch drei Bodenwellen! Staffelläufer fliegen auf ihrem Endspurt an uns vorbei, wir überholen viele 100-Kilometer-Läufer, deren Begleitradler meist stumm neben ihren Schützlingen durch die Nacht rollen. Kaum ein Gespräch stört die Ruhe. Auf der Strasse Oberramsern - Messen fahren Autos und offenbaren, wie weit es bis zum letzten Dorf noch ist. Die Dachfirste der Bauernhäuser zeichnen sich vor dem Nachthimmel ab, das Ortsschild reflektiert in der Ferne. Tickt die Uhr zu schnell? Ich gebe alles was noch möglich ist - werden wir es schaffen? 

Wie in Zeitlupe kommen wir dem Zielbogen näher, der mit einer Leuchtschlange geschmückt ist. Das erlösende Piepen der Zeitmessmatte ertönt, und der Speaker verkündet, die vierte und fünfte Frau seien nun im Ziel (es sollte sich herausstellen, dass er sich verzählt hatte). In Jens hatte ich die einzige Konkurrentin überholt. Hab ich richtig gehört? Ein solch guter Overall-Rang mit einer Laufzeit von 3:59:27 !?! Wie im Traum nehme ich erleichtert und glücklich die Medaille in Empfang.



Wenig später kommt der grosse Läufer mit dem gelben Shirt an. Nach einem kurzen Schwatz will ich nur eins, mich hinsetzen und ausruhen. Schwindel und Übelkeit kommen nach dem Stehenbleiben in Wellen. Ich sinke vor dem Bauernhaus auf den mit runden Natursteinen gepflasterten Vorplatz und lehne mich an einen Strohballen.

Hugo sitzt auch schon dort. Er war sieben Minuten vor uns ins Ziel gekommen, und sein Bauch plagt ihn immer noch. Andi versorgt uns mit Cola. Im Slow-Motion-Modus befreie ich mich aus den nassen Laufsachen, ziehe das Lauftage-Shirt und eine warme Trainerhose an, so erwachen die Lebensgeister wieder. Da es hier dieses Jahr kein Festzelt gibt, spazieren wir nach einer halben Stunde zum Parkplatz.



Ohne Unterlass strömen Ultraläufer ins Dorf. Ihnen stehen noch unvorstellbare 62 Kilometer bevor! Im Gegensatz zum letzten Jahr möchte ich heute um keinen Preis mit ihnen tauschen! Wir sind uns einig, der Vollmond-Nacht-Marathon war ein aussergewöhnlich spezielles Erlebnis, aber auch hart. Die Distanz von 42.2 Kilometer wird mir Herausforderung genug bleiben! Dieser war mein 30. Marathon, und ich habe noch nicht ausgelernt ...



Das Auto-Thermometer zeigt auf der Heimfahrt immer noch 17 Grad an. 

Andi hatte im Ziel bereits einen Regenerationsdrink getrunken. Um meinen Körper Baustoffe für die Erholung zur Verfügung zu stellen, löffle ich zuhause einen Becher Hüttenkäse, der mir zwar widersteht. Mit noch mehr Cola lässt er sich aber runterspülen. 

Nach dem Duschen muss noch ein schneller Blick ins datasport-live App sein. Jeannine scheint auf ihrem 100-Kilometer-Lauf gut unterwegs zu sein! Und ich entdecke, dass ich mit dem knappen sub 4:00-Stunden-Resultat den 1. Rang in meiner Alterskategorie erreicht habe, was mich definitiv mit diesem anstrengenden Marathon versöhnt!

Gegen halb vier Uhr schlafe ich ein, und bereits zwei Stunden später wecken uns die gefiederten Sänger, welche die Morgendämmerung begrüssen. Wir haben Hunger und die spontane Idee, im nahen Büren an der Aare Rösti essen zu gehen und dort auf Jeannine zu warten, wird sogleich in die Tat umgesetzt.




Die Morgenstimmung an der Aare ist paradiesisch. Wir geniessen das stärkende Bauern-Frühstück an der Morgensonne und staunen, dass die meisten Ultraläufer knappe fünf Stunden nach unserem Zieleinlauf immer noch fähig sind, sich in flottem Trab fortzubewegen!




Doch wir warten vergeblich auf Jeannine. Ihr Mann und Rad-Coach trifft alleine in Büren ein, und wir sind sehr bestürzt, als er uns berichtet, sie habe schon früh Probleme bekommen, genug Energie zuzuführen, unter Übelkeit gelitten und nach gut 75 Kilometern das Rennen beenden müssen ... 

Traurig und betroffen reisen wir nach Biel, wo noch Andis Auto steht. Zu gerne hätten wir Jeannine hier in ihrer Traumzeit einlaufen sehen!



Auf der Suche nach einem belebenden Kaffee, zieht es uns ins Festzelt, das halb leer ist, obwohl soeben die ersten drei der Schweizer Meisterschaft im 100-Kilometer-Lauf auf's Treppchen steigen dürfen. So kommt es, dass wir zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind. Die Zuschauer werden gebeten aufzustehen, die Nationalhymne wird gespielt, und mir kommen bei dieser feierlichen Szene fast die Tränen. 100 schnelle Kilometer in dieser fordernden und mystischen Vollmondnacht - welch eine Leistung!



Die Anstrengung und die ultrakurze Nachtruhe fordern am Nachmittag doch ihren Tribut, und unsere Tochter hält fest, wie wir warm eingekuschelt im Grünen in tiefem Schlaf liegen. Krämpfe in den Füssen und Händen wecken mich schliesslich und machen mir klar, dass unser Lauf kein Traum war - oder doch?



42.195 km / 3:59:27.4 Stunden / 5:40.5 Min./km / Puls ca. 154
+/- 305 hm / 21-17° schwülwarm, leichter NO-Wind
1. Halbmarathon 1:53:25 Stunden
2. Halbmarathon 2:06:02 Stunden
1. W45
6. von 36 Frauen
Andi - 7. von 20 M50 / 34. von 117 Herren

Track http://connect.garmin.com/activity/520081289

Freitag, 13. Juni 2014

Minimalistisches Tapering

Beim Nacht-Marathon-Tapering waren wir geizig, was die Länge der letzten kurzen Trainings anbelangt. Fünfeinhalb Kilometer frühmorgens am Mittwoch und vier Kilometer bei gewittriger Hochsommerhitze gestern vor dem Abendessen mussten reichen. Trotz des schweisstreibenden Wetters rollte es ganz gut. Es könnte durchaus sein, dass in der Ruhe die Kraft liegt!

Nach Sonnenuntergang türmten sich Gewitterwolken über dem Seeland. Wir fuhren nach Biel, um unsere Startnummern abzuholen und um zu spüren, wie sich die Abend-Temperatur zwischen den Häusern der Stadt anfühle. Es säuselte ein frischer Nordwind, der den aufblasbaren Start-Zielbogen vor dem Kongresshaus ins Wanken brachte und die schwüle, feuchte Hitze so schnell aus der Stadt pustete, so dass ich froh war, das neon-grün-schwarze Lauftage-Shirt über mein Sommerkleid anziehen zu können.
 



Nun liegen die Startnummern bereit, samt Kennzeichnung 42.2 km, die am Rücken zu tragen ist, damit die 100 Kilometer Läufer wissen, ob sie ein Konkurrent oder ein Marathoni überholt. 
Die Beine sind frisch physiotherapiert - der letzte zwickende Muskel verstummt hoffentlich unter einem fachmännisch aufgeklebten, rosa Kinesio-Tape-Streifen - die Fransen sind stirnlampenfreundlich gestutzt, die Haare zu Zöpfchen geflochten, die Anreise nach Biel und die nächtliche Rückreise von Oberbalm sind durchdacht, und die Wetterprognose haben wir im Detail studiert. Es erwarten uns 21 - 17°, sanfter Nordwind und klare Sicht auf den Vollmond.
Und nun dauert es immer noch neun lange Stunden bis wir zum Nacht-Abenteuer aufbrechen dürfen. Wie in Dubai werden wir zu dritt laufen, denn Hugo hat sich erfreulicherweise gestern entschlossen, uns Gesellschaft zu leisten! Ob wir in der mystischen Vollmondnacht des Freitags dem 13. ein ähnliches Lauf-Märchen erleben dürfen, wie im Januar in der Wüstenstadt?




4.1 km lockerer Lauf + 3 Steigerungen 5:51 Min./km / Puls 126
+/- 30 h / 28° schön, gewittrig heiss, leichter NNO Wind
Track http://connect.garmin.com/activity/519188826

Am Mittwoch, frühmorgens kurz nach fünf Uhr:
5.5 km Jogging + 3 Steigerungen 6:02 Min./km / Puls 124
+/- 50 hm / 16° schön, leichter SSO Wind
Track http://connect.garmin.com/activity/518271211

Montag, 9. Juni 2014

Schon frühmorgens viel zu heiss...

Meine "Wärme-Alarm-Sensoren" wecken mich schon kurz nach Tagesanbruch. Unser Ziel ist, das letzte etwas schnellere Nachtmarathon-Training unterzubringen, bevor die angesagte Pfingst-Rekord-Hitze wieder hereinbricht. Bereits kurz nach sieben sind wir startbereit.
Die Rechnung geht nicht auf, der Puls schnellt schon bein Einlaufen in die Höhe und lässt die Beine schwer werden, erst recht, da sie immer noch über die beim Nacht-Run zurückgelegten Höhenmeter klagen.
Wir freuen uns unterwegs darauf, den Nachmittag gemütlich im Liegestuhl zu verbringen. Schliesslich ist es uns bei 33° im Schatten dazu doch zu heiss, und es scheint mir, ich könne meinen Beinen und Füssen beim Anschwellen zusehen.

Erlösung von der Hitze bringt erst die Idee einer lockeren Biketour. Es ist herrlich den Fahrtwind zu spüren und die Durchblutung sanft in Schwung zu bringen. Netterweise spendet dabei eine gigantische Gewitterwolke willkommenen Schatten.





6 km Mitteltempo 5:12 Min./km / Puls 147
in 8 km 5:27 Min./km / Puls 142
+/- 80 hm / 22° schön, heiss
Track http://connect.garmin.com/activity/516870260

13.8 km per Bike 20.2 km/h
+ 110 hm / - 85 hm / 31° heiss, leichter WNW Wind
Track http://connect.garmin.com/activity/517199691

Samstag, 7. Juni 2014

Nachtlauf-Test

Seit einem Jahr träumen wir vom selben Event - der "Nacht der Nächte"- Andi und ich vom Nebenschauplatz, dem Nachtmarathon, und unsere Freundin Jeannine von der Königsdisziplin, dem Bieler 100er. 
Verglichen mit unserem Training hat sie ab Januar nicht selten die doppelte Wochenkilometer-Menge abgespult! Die Trainingspläne haben kaum je zueinander gepasst. Zu Beginn der langen Reise auf das grosse Ziel hin, hatten wir uns beim geführten Training über den Emmendamm gemeinsam auf die Vorbereitung eingestimmt. Heute Abend steht bei uns allen ein kurzer, letzter Longrun auf dem Programm, und uns fällt die Ehre zu, Jeannine beim Nachtlauf-Test zu begleiten.


Als wir loslaufen, versinkt die Sonne und färbt den Abendhimmel orange. In den Wäldern staut sich noch die Sommerhitze des aussergewöhnlich warmen Tages. Im hohen Gras singen die Grillen und zwei Rehe versuchen sich zu verstecken. Von einem sind nur die aufmerksam lauschenden Ohren zu sehen. 


Unser Ziel ist die Originalstrecke zwischen Grossaffoltern und Wengi. Zu Beginn geht es oft hügelabwärts, und wir traben plaudernd locker dahin. Der Schweiss rinnt trotzdem bereits in Strömen. Die Farbe des Horizonts wechselt zu tiefem Blau, die letzten Störche kehren nach der Abendmahlzeit zu den vielen Horsten in Grossaffoltern zurück und werden mit begeistertem Schnabelklappern begrüsst. 
In Vorimholz haben wir einen langgezogenen, sanften Aufstieg bewältigt und gleiten hinunter ins Limpachtal. Die hereinbrechende Dunkelheit verschluckt langsam die nach Heu duftende Landschaft, und wir machen unsere Stirnlampen an.  


Wir traben in Scheunenberg von einem orangen Strassenlampen-Lichtkegel zum nächsten, da ertönt plötzlich Applaus. "Bravo, bravo", ruft man uns aus der gemütlichen Dunkelheit eines Gartenzelts zu, und wir freuen uns darüber, wie motivierend die Anwohner schon heute an unserem Vorhaben teilhaben. Die Bevölkerung scheint sich auf "ihren" 100er zu freuen!


Zur Startzeit ist die Dunkelheit noch nicht ganz komplett. Die drückende Wärme weicht stellenweise kühlender Nachtfeuchte, und wir fragen uns, weshalb beim Weiler Janzenhaus feiner Staub in dichten Wolken vom Feldweg aufsteigt. 


Das Mondlicht würde ausreichen, den Weg zu finden. Aber ob wir alle Unebenheiten entdecken könnten? Ab und zu ist es ganz nützlich, die Uhr lesen zu können. Meine Pulswerte würde ich jedoch lieber nicht sehen, als wir uns von der Lauftage-Strecke verabschiedet haben und uns durch die Überquerung des Hügels im Breitholz Wald daran machen, die heutige Runde zu schliessen. Aber es wäre doch ein Wunder, wenn Kraft und Ausdauer nach nur sechs Wochen konkreter Vorbereitung die selbe wären, wie nach deren 23!


Auf dem dunklen, schmalen Waldpfad macht Jeannines Stirnlampe, welche sich jeweils den Lichtverhältnissen anpasst, die Nacht zum Tag - gute Sicht wird auf dem anspruchsvollsten Streckenabschnitt - dem Emmendamm - für sie kein Problem sein!


Völlig verschwitzt, durch Brennesseln zerstochen und von ein paar blinden Passagieren (Zecken) belagert, kommen wir glücklich und zufrieden zuhause an.
Das läuferische "amuse bouche" hat geschmeckt! Wir haben uns nun zum Hauptgang vom nächsten Freitag angemeldet und hoffen auf eine ebenso wunderschöne Nacht.


18.1 km Nacht-Longrun 5:48 Min./km / Puls 137
+/- 170 hm / 23° schön, 3/4 Mond, tropisch feuchtwarm
Track http://connect.garmin.com/activity/515780414

Donnerstag, 5. Juni 2014

Guten Morgen

Der neue Tag begrüsst mich mit einem stahlblauen Himmel, an dem schon mächtig Betrieb herrscht. Während ich mich wundere, wohin die Passagiere all dieser Flieger unterwegs sind, versuche ich zu erspüren, ob ich nun Kurs auf den Bieler Nachtmarathon nehmen soll und darf - wir haben uns immer noch nicht angemeldet ...


Der Start in die Taperingphase fällt viel versprechend aus. Der Körper verarbeitet das Generalproben-Training gut, und ich kann mich unbeschwert an der Wildblumen-Sommerflora erfreuen. 



8.1 km lockerer Lauf 5:49 Min./km /Puls 127
+/- 60 hm / 10° schön
Track http://connect.garmin.com/activity/514116992

Dienstag, 3. Juni 2014

Möglichst schonendes Marathon-Tempo

Dass wir mit dem beinahe vor unserer Haustüre stattfindenden Nachtmarathon Biel-Oberramsern liebäugeln, ist aufgrund der beiden langen Longruns auf der Originalstrecke nicht schwierig zu erraten. In den wenigen Wochen seit dem Vännäs Halbmarathon haben wir uns bemüht, durch relativ viel Umfang und gemässigte Mittel- bis Marathon-Tempo-Trainings wieder 42.195-km-tauglich zu werden. Mein Kreuz und die es umgebende stabilisierende Muskulatur wollen seit dem Zürich-Marathon mit Samthandschuhen angefasst werden - ein schönes Halbmarathon-Erlebnis war Anfangs Mai der Dank für die Rücksichtnahme.

Für die Generalprobe bleibe ich dem "weniger ist mehr"-Konzept treu und strebe eine Pace von 4:58 Min./km mit 150 Durchschnittspuls an. 
Die erste Etappe verläuft wenig berauschend. Bereits der dritte Kilometer, welcher zwischen den Feldern des "Roggenachers" sanft um winzige 8 Höhenmeter ansteigt, lässt mich mit eckigem Stil laufen.

Etwas entmutigt stoppe ich in der Trabpause, um die tiefe Gesässmuskulatur zu dehnen und starte zweifelnd zum zweiten, hügeligsten 5-Kilometer-Abschnitt. Das Auf- und Ab gelingt besser als erwartet, und nach 10 Tempo-Kilometern habe ich 30 Bonus-Sekunden gesammelt (war im Schnitt 3 Sekunden/km zu schnell unterwegs). Auf dem letzten Teilstück bemühe ich mich umsonst, diese wieder aufzubrauchen und die nun gut aufgewärmten Beine zu zügeln.

Die Erwartung in der "Nacht der Nächte" ähnlich schnell zu laufen habe ich nicht. Doch ich hoffe, dass dieses Training nach den erholsamen Tapering-Tagen, dank einer kleinen Tempo-Reserve dazu verhilft, dass die Anstiege etwas weniger steil erscheinen, und wir möglichst lange genussvoll unter dem Vollmond dahingleiten können.

3 x 5000 m Marathon-Tempo 4:54.8 Min./km / Puls 150.5
1. 5000 m 24:26 Min. / 4:53.2 Min./km / Puls 148.6
2. 5000 m 24:44 Min. / 4:56.9 Min./km / Puls 151.0 (hügelig)
3. 5000 m 24:32 Min. / 4:54.5 Min./km / Puls 151.8
darin + 100 / - 128 hm 
in 20 km 5:10 Min./km / Puls 145
+/- 165 hm / 10° schön, leichter OSO Wind
Track http://connect.garmin.com/activity/512882442

Bevor Andi sich in den Flieger nach Dubai setzt, lockern wir die vom Longrun müden Beine auf einer gemütlichen Sonntags-Runde um den Hardwald.

7.1 km Jogging 6:01 Min./km / Puls 123
+/- 65 m / 9° schön
Track http://connect.garmin.com/activity/511153181

Samstag, 31. Mai 2014

Im Schlaf ...

... finden wir uns nun auf der Nachtmarathon-Strecke zurecht. Wir wissen, wo der Anstieg nach Bellmund am steilsten ist und dass sich nach knapp 100 bewältigten Höhenmetern ein schöner Tiefblick zum Bielersee bietet, wenn man über die rechte Schulter schaut. Es bleibt nur zu hoffen, dass am Freitag dem 13. der Vollmond ungestört vom klaren Himmel scheinen darf.



Die Höhenmeter, welche man über zwei Kilometer erarbeitet hat, werden auf lediglich gut 1000 Metern wieder "vernichtet", und die Lust, ungebremst den Hügel hinunter zu stürmen, will im Zaum gehalten werden.


Nach ein paar hundert Metern sanftem Ausrollen wählen wir heute die richtigen Feldwege, um nach Kappelen zu gelangen. Ob dieser "See" bis zum grossen Tag noch verschwindet?


Blick zurück zum Übergang von Bellmund nach Jens.


Die Lerchen jubilieren im Steigflug über den Feldern, kühlender Nordwind säuselt bei den Weg-Kreuzungen im Blattwerk der Linden, lässt das Getreide wogen und hilft uns, locker voran zu kommen. Um nichts in der Welt möchten wir unsere langen Sonntags-Ausflüge zu Fuss missen!


Eine jungfräuliche (und noch etwas rutschige) Jura-Kies-Schicht bedeckt den Fahrweg, doch die Schlaglöcher, die sich gerne in Pfützen mit unbekannter Tiefe verwandeln, sind verschwunden.   



In Kappelen steht die "Nacht der Nächte" schon lange rot in der Agenda der Anwohner, und wir freuen uns auf die Volksfeststimmung am Streckenrand.


Die Halbmarathonis werden es in Aarberg bereits geschafft haben.


Auf dem Radweg unterqueren wir die Autobahn, treffen auf den starken Gegenwind und gelangen bald nach Lyss. Bunte, aufblasbare Bögen empfangen uns, doch sie gelten noch nicht den Läufern. Motorradfans gilt heute die Aufmerksamkeit.


Im Zentrum tanken wir Wasser und schlürfen fruchtige Gel-Energie, um uns für die zweite hügelige Passage zu wappnen. Die nächsten sechs Kilometer verlaufen in Wellen.


Nach wenigen hundert Metern durch eine "hohle Gasse" (deren blühendes Gras meine Nase definitiv schneller laufen lässt als die Beine), haben wir schon tüchtig an Höhe gewonnen. Eine kurze Pause, um die Distanz zu würdigen, die wir vor dem Frühstück bereits geschafft haben, dürfen wir uns nehmen. Jens, die durchquerten Gemüsefelder und Aarberg liegen schon beeindruckend weit zurück!



Auf dem Murgeliweg rollen wir durch den Wald in ein verträumtes Tälchen hinab. Unten angekommen, türmt sich das steilste Streckenstück vor uns auf - 35 Höhenmeter geht's auf nur 350 Metern nach Weingarten hoch, wo im Vorgarten eines Bauernhauses tatsächlich eine Wein-Staude wächst.




Uns freut vor allem das schaurig schöne, vielstimmige Husky-Geheul einer grossen Meute, die uns (oder den gleichzeitig ankommenden Postboten?) hier oben begrüsst.


Bis hierhin machen meine Muskeln erstaunlich gut mit, nachdem vor zwei Wochen vom Start weg Spannung vom Kreuz zur Hüfte hin zu spüren gewesen war und ich an den Hügeln kaum Kraft gehabt hatte.
Am Freitag war es meinem Physio offenbar gelungen, die Quelle des Übels zu finden. Ohne Triggerpunkte in den mittleren Gesässmuskeln läuft es sich deutlich besser! Erst nach der Halbmarathon-Marke ist eine Dehnpause nötig. Jetzt weiss ich woran ich arbeiten kann und hoffe, dass ich in zwei Wochen ohne Schmerzen bis ins Ziel kommen werde.



Das letzte Tal breitet sich vor uns aus. Die Bise weht stark, wie durch einen Windkanal und braust so laut um die Ohren, dass wir uns kaum noch unterhalten können. Wir sind auf den letzten sieben Kilometern stark gefordert, halten die Pace auf der welligen Strecke am Fuss des Bucheggbergs aber trotzdem. Das "Wind-Kraft-Training" nehmen wir als Kompensation für die an dieser Stelle im Trainingsplan vorgeschlagene Tempo-Erhöhung. 


Oberramsern kommt in Sicht, und wir freuen uns auf ein Morgenkaffee mit "Gipfeli". Doch das Restaurant Hirschen im kaum 100 Einwohner zählenden Strassendorf hat (dauerhaft?) zu. Auch wenn die Erwartung auf ein feines "Zmorge" enttäuscht wird, lassen wir uns die Freude über den besten unserer drei 32er in drei Wochen nicht nehmen.




32.2 km Longrun 5:35 Min./km / Puls 139
+/- 285 hm / 11° schön, kräftige "Bise"

Track http://connect.garmin.com/activity/510495082