Auf dem Trainingsplan steht ein Ruhetag und auf unserer Wunschliste an Ferien-Aktivitäten eine Bike-Tour um den Inselwesten...
So kurz nach dem Jungfrau-Marathon befinden wir uns leistungsmässig an der Grenze des Möglichen. Und doch schwingen wir uns kurz vor Sonnenaufgang auf die Räder. Ein "bisschen" lockeres Alternativtraining ohne die Laufmuskulatur stark zu belasten sollte doch möglich sein.
Der Himmel ist fast wolkenlos, ein sanfter Nordwind säuselt, und nach wenigen Minuten Fahrt den Monumento Pass hinan erleben wir einen weiteren herzerwärmend schönen, feuerroten Sonnenaufgang!
Wir haben die Strasse fast für uns alleine und nehmen es gemütlich, denn die vordere Oberschenkelmuskulatur erinnert sich noch allzu gut an die anstrengende Bergab-Wanderung von gestern.
Auf dem Pass bewundern wir die Aussicht. Der Monte Capanne hat heute keinen Wolken-Hut, und am Berghang gegenüber ist schon unser nächstes Zwischenziel zu sehen - das Bergdorf Sant' Ilario.
In den verwinkelten Gassen von La Pila biegen wir auf die Haarnadel-Passstrasse nach Sant Ilario ab.
Nach einer Stunde ist es Zeit für's Frühstück. Espresso und Brioches genannte legendär feine nach Zitrone schmeckende "Gipfeli" kosten nur je einen Euro, also lassen wir es uns gut gehen.
Die Stärkung ist dringend nötig. Auf uns wartet die anstrengende "Kletterpartie" auf den 570 Meter hohen Monte Perone Pass.
Bis zum Torre di San Giovanni, der schon zur Römerzeit als Wachturm diente, sind die Serpentinen besonders eng und die Steigung ist hochprozentig.
Sant' Ilario liegt schon weit zurück, und im Tal wabbert dichter Rauch. Nach den ausgiebigen Regenfällen der letzten Tage lodern nun überall die Mottfeuer.
Wir hatten die Strecke nicht so anstrengend und steil in Erinnerung. Sie bleibt auch nach dem durch Verwitterung bedrohten Turm kraftraubend.
Es ist fast nicht möglich, gemütlich zu fahren. Mein neu erstandenes Occasions-Mountainbike hat zwar 27 Gänge, doch auch die kleinsten verlangen eine gewisse Trittfrequenz...
Nach der Ruine der Chiesa San Giovanni, die im 12. Jahrhundert von den Pisanern aus Granitquadern errichtet wurde und welche die grösste einschiffige Kirche Elbas ist, können wir endlich ein paar Gänge hochschalten.
Die von Jahr zu Jahr schlechter werdende Strasse führt durch lichten Robinienwald. Wir müssen uns vor langen, herunterhängenden Brombeer-Ranken in Acht nehmen und zerstören das eine und andere Spinnennetz.
Die Vegetation wechselt zu Kastanien- und Pinienhainen, während wir am Fusse des Monte Maolo ein paar steile Taleinschnitte überwinden.
Erst kurz vor der Passhöhe überholt uns ein Range Rover mit englischen Kennzeichen.
Die mit eigener Muskelkraft erarbeitete Aussicht ist besonders eindrücklich!
Tief im Tal liegt das Flachland von Campo nell' Elba mit dem Flughafen, die Bucht von Marina di Campo, auf dem Hügel rechts liegt das Römerstädtchen San Piero mit seinen lauschigen mittelalterlichen Gässchen. Weit draussen erhebt sich die Insel Montecristo aus dem Meer.
Wir schlüpfen in die Windjacken und tauchen auf der Nordseite des Passes in den dichten, kühlen Kastanienwald ein. In den Taleinschnitten ist es feucht, die uralten Baumriesen lassen kaum einen Sonnenstrahl durch's Blätterdach dringen, leise plätschern kleine Bächlein und auf den Steinen wächst Moos.
Ab und zu ist der Blick auf den 1019 Meter hohen Monte Capanne frei, meist fährt man jedoch wie durch einen Tunnel, und man muss jeden Moment mit dem Auftauchen einer Rotte Wildschweine rechnen.
Nach genau zwei Stunden Fahrzeit stellen wir die Räder bei unserer Lieblings-Bar in Poggio ab. Das 200 Selen-Bergdorf klebt in 330 müM auf einem Hügel - "Poggio" heisst denn auch ganz schlicht und einfach Hügel.
Nach einem zweiten Frühstück radeln wir gut zwei Kilometer hinüber nach Marciana Alta, welches die älteste Ortschaft Elbas ist.
Schon in der Steinzeit lebten Menschen in der sicheren Höhe von 375 müM an der Flanke des Monte Giove. Die Römer nannten den Ort Marcius, später wurde sie zur Fürstenresidenz der Appiani.
Heute lassen wir die Festung, die engen Treppengassen mit einigen fantasievollen neuen Geschäften - z.B. einer Schuhmacherwerkstatt und einer kleinen Konfitüren-Küche - links liegen.
Nach einem Blick zurück freuen wir uns auf eine kilometerlange, rasante Abfahrt bis zum Übergang in den Westen.
Ein Riesencar mit "Elba-in-einem-Tag-Touristen" verstopft jedoch die engen Kurven und zwingt uns mehrmals zum Anhalten.
Hinter dem Dörfchen Zanca ist so klar wie selten die Insel Korsika zu sehen.
Die Zeit scheint still zu stehen in diesem schmucken und entlegenen Winkel Elbas.
Bei Patresi überwinden wir einen tiefen Taleinschnitt und können bis zum Monte Capanne hoch blicken.
Colle d'Orano ist der letzte winzige Weiler bevor es auf die atemberaubend abenteuerlich und ca. 150 Meter hoch über dem steilen, felsigen Abgrund klebende Küstenstrasse in den einsamen Inselwesten geht.
Blick zurück nach Colle d'Orano.
Fünf Kilometer lang führt die erst in den 60er Jahren errichtete Strasse durch die steinige, karge Einsamkeit. Tief unter uns rauschen die Wellen und Korsika scheint zu Greifen nah.
Bei der Felsnase Punta Nera - dem westlichsten Punkt Elba's - machen wir kurz halt und wagen mit angehaltenem Atem einen Blick hinter die massiven Leitplanken in die Tiefe.
Nach der nächsten Kurve erreichen wir das wunderschöne Chiessi. Zwischen den weiss getünchten Häusern blühen Oleander und Bougainvilleen, und hinter dem Örtchen schmiegen sich Terrassenfelder an die steilen Hänge.
Es zieht uns zur Kirche, in der sich einzigartig farbenfrohe, moderne Kirchenfenster verbergen.
Der Weg zu jedem weiteren Ort an der Küste führt von Meereshöhe wieder hinauf auf ein kleines Kap und erneut hinunter zum Strand.
Die Höhenmeter summieren sich - über 1000 sind schon zusammengekommen. Nun haben wir auch noch Gegenwind, und die vom Wandern malträtierten vorderen Oberschenkel brennen beim Aufwärtsfahren immer mehr.
Pomonte - "Post montem" nannten die Römer das Nachbardorf von Chiessi. Bis zum Bau der Küstenstrasse war der beschwerliche Maultierpfad nach Marciana Alta die einzige Verbindung zu den übrigen Inseldörfern.
Zwei Dörfer weiter müssen wir eine Pause einlegen.
Andi hat in Seccheto am kleinen Sandstrand zwischen den rund geschliffenen Felsen ein winziges Restaurant entdeckt. Wir hoffen, dass wir hier etwas zu essen kriegen.
Die Auswahl ist überraschend gross, und der Tintenfisch-Kartoffel-Salat bzw. die Schiaccina mit Tomaten, Mozzarella und Basilikum sind lebensrettend.
Kaum je hat ein Mittagessen besser geschmeckt!
Nur einen Kilometer weiter gelangen wir nach Cavoli, dem letzten Fischerdörfchen an der abgelegenen Südwestküste. Das klare, türkisblaue Wasser ist einfach traumhaft. Und von oben sieht es aus, als ob die Schwimmer über dem Meeresgrund dahinfliegen würden.
Zügig geht's durch die Ebene nach Marina di Campo. Die Garmins piepsen endlich wieder in schnellem Takt.
Dann sind wir ein letztes Mal am "Klettern". Nach dem 3.5 Kilometer langen Anstieg auf den 261 Meter hohen Monumento Pass haben die Muskeln endgültig genug von der aussergewöhnlichen Belastung.
Die letzten drei Kilometer sind ohne eine Pedalen-Umdrehung zu schaffen. Mit knatternden Jacken geniessen wir die rasante Abfahrt.
Dann können wir uns endlich am Strand auszustrecken und möchten am liebsten keinen Schritt mehr tun.
+/- 1775 hm / 15-20° schön
Track http://connect.garmin.com/activity/385062315
Wunderschöne Eindrücke!
AntwortenLöschenKann man dort Fahrräder mieten oder sind das eure eigenen?
Danke Markus!
AntwortenLöschenWir nehmen jeweils unsere eigenen Mountainbikes mit. Aber man kann auf Elba auch welche mieten.
Gruss Marianne