Samstag, 20. Oktober 2012

Herbstlauf Burgdorf ...

... Oder - manchmal kommt es ganz anders, als man plant, rechnet, glaubt und erwartet!

Im Laufe der Woche hatte ich mir ausgerechnet, dass die Wettkämpfe des Bremgartenlaufes (6 km am Morgen und 11 km am Nachmittag) als Halbmarathon-Test-Ersatz taugen könnten. Je länger ich die Streckenpläne studierte, desto mehr schreckte mich das Höhenprofil ab (+/- 100 hm schon beim Kurzlauf und 3/4 davon auf dem ersten Kilometer?!?). Und würden diese zwei Läufe überhaupt annähernd dem Trainings-Effekt eines flachen Halbmarathons entsprechen? 
Obwohl ich mir nach dem Bürenlauf 2011 (11.5 km / +/- 170 hm) geschworen hatte, nie mehr einen hügeligen Test-Wettkampf vor einem flachen Marathon zu absolvieren, rechnete ich fest damit, am Sonntag um 10:20 und 14:15 Uhr in Bremgarten am Start zu stehen...
... bis mir gestern spät am Abend beim Zubettgehen ein Blitzgedanke durch den Kopf schoss: 

"War da nicht noch ein 15 Kilometer-Lauf in Burgdorf?"

Fünf Minuten später studierte ich am Computer den Streckenplan und rechnete die Höhenmeter des Herbstlaufes zusammen. Ich schätze deren 135 - also weniger als beim Büren- und Kerzerslauf oder GP von Bern. Und das Profil schien sanfter als bei diesen Läufen - vor allem als jene von Bremgarten zu sein... Ich vermutete, dass dieser Herbstlauf einem Kerzerslauf ohne Golaten-Steigung entsprechen würde. Und ich rechnete damit, ihn etwa genau so schnell wie den Kerzerslauf in knapp 1:09 (mit ca. 4:30 Min./km) bewältigen zu können...
Erst nach Mitternacht ging ich zu Bett. Ich schlief schlecht und träumte von...
... Höhenmetern!

Am Samstag Mittag reiste ich also nach Burgdorf! 

Es dauerte kaum 5 Minuten die Nachmeldung zu erledigen. Schon war ich im Besitz einer Startnummer samt schönem, funktionalem T-Shirt. 
Ich hatte ausreichend Zeit, die familiäre Lauf-Atmosphäre bei der Schulanlage Neumatt auf mich wirken zu lassen. Ich wühlte durch die Sonderangebote bei den zwei Sportartikel-Ständen, schaute bei den Kinderrennen zu, und besichtigte beim Einlaufen den ersten Kilometer. Bis auf die Brücke über die Emme ist er wunderschön flach!

Endlich füllte sich die Damen-Garderobe. Ich fragte meine Nachbarin beim Umziehen ob sie die Strecke kenne. Ursula meinte, diese sei wunderschön, und nur LEICHT coupiert - etwa so wie der Bürenlauf... 
"BÜRENLAUF! Nein, nicht wie der Bürenlauf!" dachte ich, während Ursula vom Napf Marathon zu schwärmen begann... Wo war ich da hingeraten???

Vor dem Start plauderte ich mit Vreny, welche in der Kategorie W55 startet und erst seit zwei Jahren läuft. Es war unmöglich, sich nicht von ihrer Fröhlichkeit, Lebensfreude, und Liebe zum Laufen anstecken zu lassen. Wir waren uns einig, diesen Lauf nicht verbissen anzugehen, sondern einfach zu geniessen, dass wir überhaupt laufen dürfen und können!

Das Startsignal verpasste ich, plötzlich waren wir unterwegs, passierten die Emme-Brücke, und flussabwärts ging's trotz Gegenwind flott voran. Die Quartierstrasse wurde zu einem  breiten Feldweg. Ich hatte mir vorgenommen auf flachen Abschnitten etwa 4:25 Min./km zu laufen - entsprechend der Trainingsplan-Vorgabe für den Test-Halbmarathon. Kilometer-Schilder fehlten, doch die Garmin piepste nach 4:23 und 4:17 Min./km, und die Pulswerte stimmten. So konnte ich mich auf die Landschaft und meine Mitläufer konzentrieren. Vreny's rote "Dächlikappe" hüpfte weit vor mir lustig auf und ab, und ich war sehr erstaunt über ihr rasantes unterwegs Sein. 

Das unscharfe Bild vom Streckenplan füllte sich mit wunderschönen Herbst-Eindrücken. Zwischen den Bäumen am Emmen-Ufer blitze das Sonnenlicht hindurch, und ich war froh, im Schatten laufen zu können. Mit über 20° war's an diesem Herbsttag noch einmal sommerlich "heiss".

Beim Hof Sandegge überquerten wir die Ebene und sahen wie der Wald zwischen den Hügeln Ruedisberg und Hüntu den Läuferstrom verschluckte. Ich war so gespannt auf diese erste Steigung...
Sie nährte dann meinen Respekt vor der Burgdorfer Herbstlauf-Strecke, weil sie eindeutig steiler schien als alle Anstiege an GP oder Kerzerslauf - aber zum Glück war sie nicht so lang! Ich konnte nicht verhindern, dass mir der Bürenlauf in den Sinn kam...

Nach der Hügelkuppe gab ich abwärts sofort wieder Gas. Und wie es abwärts ging - nicht nur durch den Wald, nein auch noch auf einer Betonpiste und weiter auf der Nebenstrasse Bütikofen entgegen! Während ich Vreny überholte musste ich mir den Gedanken verbieten: "Dort musst du wieder rauf!" Lieber rühmte ich ihren flinken Laufstil. 



Ein unvorhergesehener Buckel bremste im Dorf mein rasantes Bergablaufen. Dann führte der Weg aufwärts entlang eines neulich abgeernteten, herb nach frisch umgebrochener Erde duftenden Feldes zum Längenberg. 
Eine gigantische Rübenmaus kam uns entgegen. Obwohl sie am Rand des Ackers fuhr, fürchtete ich, sie würde uns Winzlinge zerdrücken. Furchteinflössend riesig schienen die monströsen Räder mit ihrem mannshohen Durchmesser, als wir knapp einen Meter neben dem dröhnenden Ungetüm vorbei trabten!

Am Fusse des Längenbergs folgte das nächste Waldstück und das 5 km Schild. Etwas später meldete sich meine Garmin zum 5. Mal. Mit der Zwischenzeit von 22:30 war ich meinem Plan mehr als eine halbe Minute voraus. Wir steckten mitten in einem weiteren saftigen Anfstieg. Und ich beschloss, es aufwärts gemütlicher zu nehmen als bisher.

Oberhalb von Ersigen verlief der Weg unterhalb des Tannwaldes nicht wie erwartet stetig ansteigend sondern in sanften Wellen. Ich konnte etwas verschnaufen und die eindrückliche Aussicht auf das Mittelland und die zum Greifen nahe scheinende Jurakette bewundern. 

Schon seit längerer Zeit lief ich immer wieder gleichauf mit einem Läufer im Shirt der Derendiger Läufergruppe. Nun entschuldigte er sich kurzatmig, dass er leider nicht führen könne, ich sei einfach zu schnell. Ich gab lachend zurück, dass sich das gleich ändern werde! Keine 50 Meter hatten wir uns den steilen Weg im Ruedswilsiten-Wald am Dünggetel-Hügel hoch gekämpft, als ich schon meterweit zurückgefallen war. 
Nach jeder Kurve hoffte ich, die Läuferkette würde hinter einer Kuppe verschwinden, als Zeichen, dass die Strecke endlich wieder abwärts verlaufe. Der kräftezehrende Aufstieg wollte einfach nicht enden und war erst nach knapp acht Streckenkilometern - statt wie erwartet nach sieben - vorbei. Nun fühlte ich mich definitiv an den Bürenlauf versetzt! 
So steil wie die Hügel auf dem überzeichneten gelben Polar-Profil aussehen, empfand ich sie bei der schnellen Pace, die ich zu laufen versuchte wirklich!!!



Aber dann kam mein Kilometer - fast wie im freien Fall flogen meine langen Beine über den laubbedeckten, steinigen Waldweg. Mindestens 40 Höhenmeter am Stück ging's zur Hinteren Holzmatt hinunter. Die Garmin zeigte zeitweise 3:20 Min./km an - so schnell kann ich doch gar nicht rennen! 
Der Fahrtwind brauste um die Ohren, die Luft war erfrischend kühl, und das Nachmittagslicht schien golden durchs gelb-rot-grüne Herbstblätterdach. Ich zog wieder am Derendinger Läufer vorbei, und meine Oberschenkel mahnten, dass sie mir morgen einen tollen Muskelkater bescheren würden.
Der nächste Hügel folgte im Wald auf der Rückseite des Längenbergs. Das anspruchsvolle Profil korrigierte die Geschwindigkeit auf 4:55 Min./km, und ich hatte meinen Bergauf-Pace-Maker wieder.

Nach 10 Kilometern lag ich mit 45:26 Min. nur knapp hinter meiner Schätzung von 45:05 Min. zurück. Eine der seltenen winzigen Publikumsgruppen munterte uns auf, und ein einsamer Alphornbläser unterbrach sein Ständchen just, als wir vorbeiliefen.

Im nächsten Waldstück wuchs zartes, saftiges Gras unter uralten, dickstämmigen Bäumen. Die Szene wurde so märchenhaft vom schräg einfallenden Sonnenlicht beleuchtet, dass ich mich nicht gewundert hätte, wenn dort Feen getanzt hätten. 

Wie verhext fühlten sich jetzt aber meine Beine an. Obwohl die Teerstrasse zurück Richtung Bütikofen leicht abwärts führte, war es sehr schwer, schneller als 4:30 Min./km zu laufen. Ob der Gegenwind so stark bremste, oder das Abwärts-Rasen so viel Kraft gekostet hatte?



Weit vorne sah man die Läufer zum "Ruedisberg-Hüntu-Pass" abbiegen. Und ich wechselte mich weiter mit dem Derendinger-Läufer beim Ziehen ab. Natürlich hängte er mich auch bei der letzten Hügel-Überquerung noch einmal deutlich ab, als wir uns die Betonstrasse und den steilen Waldweg hocharbeiteten. Bewusst sparte ich Energie, verkniff mir aber zu gehen. Da stand ja auch noch der offizielle Fotograf...

(Nachtrag vom 23.10. - der erwähnte Fotograf war kein Offizieller, sondern in eigener Regie unterwegs, und seine schönen Aufnahmen gibt es unter www.cam4you.ch)

Jetzt hatte es regelmässig Kilometerschilder. Beim 13. schlug die letzte Hügel-Passage mit 5:19 Min./km zu Buche. Auf den letzten zwei Kilometern schaffte ich es aber immerhin noch zirka im Marathon-Tempo emme-aufwärts zu laufen. Ich übernahm wieder die Führung unseres Zweier-Gespanns und überholte dabei eine Frau, an die ich mich über viele Kilometer langsam herangearbeitet hatte. 
Der letzte Buckel über die Emme-Brücke war leicht zu bewältigen. Die Kraft reichte noch für einen Endspurt auf der Zielgeraden. Nach 1:10:47 Stunden gab ich dankbar den abreissbaren Abschnitt der Startnummer ab. Und mein Platz auf der Zielankunfts-Liste wurde per Stempel darauf festgehalten.

Ich drehte mich um, um meinen Teilzeit-Pace-Maker kennenzulernen. Ich bedankte mich bei Daniel für sein Bergauf-Ziehen und gratulierte zu seinem Lauf. Und er sagte, er hätte ohne mein Bergab- und Geradeaus-Ziehen keine 1:10er Zeit erreicht. Dann war unsere Symbiose ja perfekt gewesen!


Nach dem Auslaufen und Duschen gönnte ich mir - wie sonst jeweils mit Andi und Hugo - eine feine Wurst im bunten Läufer-Gewusel. Einen Moment fühlte ich Wehmut, dass ich dieses Lauf-Abenteuer nicht hatte mit ihnen teilen können.

Da fragte mich Vreny, ob ich mit zur Rangverkündigung käme, da sie mindestens einen 3. Rang erwarte und eine Fotografin brauche, sofern sie es aufs Podest schaffe. Insgeheim hatte ich selber von einem 3. Rang geträumt. Aber dazu war letztes Jahr eine 1:05er Zeit nötig gewesen. Doch beim Duschen hatten viele über um mehrere Minuten schlechtere Laufzeiten als beim Lauf von 2011 gestöhnt...


Nicht in meinen kühnsten Träumen hätte ich erwartet, dass ich beim Verlesen der Podestplätze als Erste der W45 aufgerufen würde. Ursula, die Napf-Marathon-Liebhaberin folgte auf Rang 3.


Und Vreny jubelte bei den W55 ebenfalls über den 1. Platz! Was für ein Lauftalent! Sie war nur wenig mehr als zwei Minuten nach mir ins Ziel gekommen!!!
Wie schön war es, dass sie meinen so unerwarteten Erfolg mit mir feierte und ich an ihrer Freude über ihren 1. Rang und ihrer riesigen Begeisterung für's Laufen teilhaben durfte! 

Reich beschenkt mit einer einzigartigen Lauferfahrung, neuen Lauf-Bekanntschaften, einem Einkaufskorb samt Getreidekaffee, Sportusal-Creme und Ottos-Gutschein reiste ich nach meinem sehr speziellen Tempo-Training überglücklich nach Hause. 

Übrigens - der Burgdorfer Herbstlauf hat genau so viele Höhenmeter wie der Bürenlauf...
und wenn man nicht im Training auf einen flachen Marathon hin steckt, sind diese sicher gar nicht so steil wie ich sie heute wahrnahm...

15.2 km Herbstlauf Burgdorf 4:39 Min./km / Puls 165
+/- 170 hm / 20° Föhn "heiss"

1. Rang W 45 :-))) 

Track http://connect.garmin.com/activity/235306773

2 Kommentare:

  1. Hey, suuuper Ergebnis, herzliche Gratulation! Der erwähnte Fotograf war kein Offizieller, ich war in eigener Regie unterwegs...Nichts desto trotz sind alle Fotos (über 700) vom Herbstlauf Burgdorf 2012 auf www.cam4you.ch. Viel Spass beim Durchstöbern der Bilder...Gruss Stefan

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  2. Danke Stefan!
    Die Bilder sind super und der Preis ist genial. Gerne werde ich mir ein, zwei Andenken aussuchen!
    Gruss Marianne

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