Heute habe ich mich selbst überrascht! Es wurde möglich, was ich weder erwartet, noch in meinen kühnsten Träumen für erreichbar gehalten hätte!!!
Vor drei Wochen hatte ich am 11 km Lauf von Bremgarten sehr gelitten. Ganze 18 Sekunden pro Kilometer war ich langsamer gelaufen als vor einem Jahr. Die beiden folgenden Longruns über 30 und 32 km waren eher mühsam gewesen. Beim kurzen Tempo-Training letzten Dienstag kriegte ich so starkes Seitenstechen wie beim Bremgarten-Lauf. Und beim Keller Ausmisten hatte ich letztes Wochenende die Schulter verknackst. Aber zum Glücks schmerzte diese nicht beim Armschwung...
Meine Vorfreude auf den Kerzerslauf war sehr gering. Ich wusste nicht, was ich mir vornehmen sollte.
Schliesslich formulierte ich doch ein Ziel für den Jubiläums-Kerzerslauf, meine 10 Teilnahme:
Geniessen und auf keinen Fall leiden!
Halbherzig kritzelte ich ein Paceband auf ein Stück Altpapier. Schneller als 1:10 Stunden hoffte ich im besten Fall zu laufen und so meine 3. beste Kerzers-Zeit realisieren zu können.
Kurz nach 11 Uhr trafen wir Hugo und stimmten uns zusammen auf den Kerzerslauf ein. Beim Einlaufen war die Tenue- Wahl ein grosses Thema. Es war trotz Sonnenschein mit 3 bis 5° und etwas Westwind sehr frisch.
Fünf Minuten vor dem Start schlüpften Andi und ich in den 4. Startblock. Er traute sich eine Geschwindigkeit von ca. 4:25 Min./km zu und ich hoffte, wenigstens 4:40 Min./km laufen zu können. Andi teilt seine Läufe immer Bilderbuch mässig ein. So war meine Strategie einfach: Um nicht zu schnell zu starten, musste ich nur dafür sorgen, dass ich ihm nicht auf den Fersen folgte und mein Abstand langsam und stetig grösser würde...
Pünktlich um 12:34 Uhr wurden wir auf die hügelige Strecke geschickt. Noch einmal rief ich mir in Erinnerung, den Lauf einfach zu geniessen! Die Startgerade bewältigte ich zurückhaltend. Am ersten happigen Anstieg nahm ich das Tempo wieder zurück. Andi lief nur wenige Meter vor mir. Beim ersten Kilometer betrug der Abstand kaum 10 Meter. Mein Puls war ruhig und ich fühlte mich erstaunlich gut. "Schön", dachte ich, "dann kann ich ja noch etwas gemütlicher rennen".
Der zweite Kilometer führt leicht abwärts. Ich genoss den schönen Flow und liess es rollen - und doch war ich dabei 10 Sekunden schneller als vor einem Jahr!?! Ich hatte den Eindruck, es könnte daran liegen, dass ich mit der Garmin noch nicht so gut zurecht komme, wie mit der Polar-Uhr, oder dass die Kilometer-Schilder anders aufgestellt waren.
"Skynda langsåmt" - "Beeile dich langsam" - diese Lauf-/ und Trainigs-Weisheit von Grete Waitz verfolgte ich auch auf den nächsten dreieinhalb Kilometern, welche stetig leicht aufwärts führen. Dieses Jahr schien der hügelige Naturweg über Felder und durch Wälder weniger hügelig als bei all meinen früheren Teilnahmen! Ziemlich locker ging's an der Kallnacher Waldhütte vorbei. Früher war ich dort oft schon am "Anschlag" gelaufen. Andi konnte ich vor mir im Feld nicht mehr ausmachen.
Stetig ein paar Sekunden schneller als erwartet und mit ruhigem Puls ging's über die letzte Hügelkuppe und rasant abwärts auf der steinigen Waldstrasse km 6 entgegen. Bergablaufen ist mein Ding! Doch ich riskierte keine gewagten Überholmanöver, reihte mich brav in das etwas dichte Feld ein und blieb weiterhin geduldig. Die Garmin zeigte zeitweise sowieso eine abenteuerliche Pace von weniger als 3:30 Min./km an.
Rasant rasten wir um eine scharfe Kurve der Verpflegungsstelle entgegen, die ich ausliess. Jeannine samt Familie hätte ich am Streckenrand nicht wahrgenommen, wenn sie mich nicht entdeckt hätten. Ihr "Hej, du bist gut unterwegs!" bestätigte mein tolles Laufgefühl. Irgendwie wusste ich aber doch nicht so genau, wie schnell ich wirklich war. Die Huskies im grossen Zwinger zogen mich in ihren Bann. Gleichzeitig sprach mich ein Läufer an und fragte, ob es gut laufe. Wir wechselten ein paar abgehackte Sätze, und dabei verpasste ich das nächste Kilometerschild.
Es folgte der schönste Abschnitt des Kerzerslaufes. Die unberührte Natur beim Niederriet Stausee finde ich besonders schön - vor allem ist der Naturpfad fast flach! Obwohl es in den letzten Tagen ab und zu geschneit hatte, war es hier kaum nass und rutschig.
Ein weiterer Aufsteller war die Anzeige der Garmin nach dem 9. Kilometer - 4:29 Min./km mit nur 163 Puls. Beim Analysieren unserer früherer Kerzersläufe hatten wir festgestellt, dass die Kilometerzeit auf dem 9. Kilometer sehr oft ganz genau der endgültigen Durchschnittspace entspricht! War ich tatsächlich so schnell - allenfalls gar auf Bestzeit-Kurs???
Der nächste Kilometer sollte es zeigen. Die überwältigende Steigung bei Golaten (ca. 50 hm auf wenigen 100 Metern) folgte. Obwohl ich sie vorsichtig angegangen war, kribbelte es bald in den Beinen. Ich ging ein paar Schritte, was sich auch nicht gut anfühlte. So trabte ich wieder, und erstaunlich schnell war die steilste Passage bewältigt. Oben hatte ich das Gefühl, lange zu brauchen, um wieder einen angenehmen Rhythmus zu finden. Trotzdem stoppte ich beim 10 km Schild meinen allerschnellsten "Golathen-km"! Wirklich - ich war auf PB Kurs! Unglaublich!
Den letzten Buckel hinan zum 11 km Schild nahm ich locker. Und abwärts durch den Wald km 12 entgegen hatte ich das Gefühl zu fliegen (3:59 Min./km). So muss sich Laufen anfühlen! Ich liebe es, wenn es wie von selbst "läuft", wenn ich mit guten Pulswerten schneller laufen kann, als ich mir das je hätte vorstellen können, wenn mir Flügel wachsen! Welch ein Unterschied zum Bremgartenlauf!!!
Bei der Waldhütte von Kerzers brieten Kinder Würste auf dem offenen Feuer. Wir tauchen durch die Rauch- und Duftwolke und nahmen den 13. Kilometer in Angriff, den ich als "bucklig" und mühsam in Erinnerung hatte. Ich war überrascht, wie schnell wir die stetig abwärts führende Teerstrasse nach Kerzers und das nächste Kilometerschild erreichten.
Noch keine Stunde war ich unterwegs!!! Wirklich, es war wahr! Wenn alles gut ginge, würde ich schneller als je im Ziel sein!
Meiner Strategie blieb ich treu - ich wollte jeden Kilometer einfach geniessen! Mit 162 Puls ging's dem Dorf entgegen (4:10 Min./km). Erst 500 m vor dem Ziel beschleunigte ich noch ein bisschen, da ich sah, dass es sogar zu einer Zeit unter 1:08 reichen könnte (4:03 Min./km).
Dann lief ich jubelnd über den blauen Teppich und ins Ziel. Die Anzeige auf meiner Uhr konnte ich kaum fassen 1:07:45 Stunden!
Damit hatte ich meine PB vom letzten Jahr um mehr als 1 Minute verbessert. Und beim Lauf von 2012 hatte ich nach einer spezifischer Vorbereitung um jede Sekunde gerungen...
Andi und Hugo waren etwas erstaunt, als ich mich im Ziel so bald zu ihnen gesellte. Sie waren mit ihren Zeiten von 1:05 und 1:03 ebenalls sehr glücklich.
Brat- und Currywurst mit Bier schmeckten heute doppelt so gut wie in Bremgarten. Bald setzten sich die lätti runners zu uns, alle ebenfalls sehr zufrieden mit ihrem gelungenen Kerzerslauf. Geteilte Freude ist einfach die schönste Freude!
Am Abend erhielt ich ein SMS, das mich noch glücklicher machte, als ich schon war: "... war 2 1/2 Minuten schneller als 2011! War ein super Lauf und so macht es auch richtig Spass! Herzlichen Dank für all deine Mühe, die Trainingspläne und die immer wieder guten Ratschläge! Ohne dich hätte ich das Rennen wohl schon lange an den Nagel gehängt!"
Mit viel Elan machen wir uns nun auf zu unseren verschiedenen Marathon-Zielen. Düsseldorf, bzw. Stockholm und Biel wir kommen :-)
Kerzerslauf 15 km / 1:07:44.6 Stunden
Pace 4:31 / Puls 161
+/- 180 hm / 5° leichter Westwind
14. von 272 W45
104. von 1711 Frauen
Track http://connect.garmin.com/activity/284954430
Glück
Immer
wenn ich nicht erwarte
nichts beabsichtige
(wunschlos bin)
geschieht es.
Ganz überraschend
gelingt
was so oft
danebenging.
Ganz plötzlich
geschieht es
ist alles so
wie schon lange erhofft
immer
wenn ich nichts erwarte.
Anne Steinwart
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