Im Gegensatz zu unserer Fjäll-Tour, folgen wir heute der E12 südwärts, um am Halbmarathon in Vännäs teilzunehmen. Der kleine Ort liegt auf einer Landzunge, welche der Fluss Ume älven umfliesst, bevor er auf den Vindelälven trifft, um dann mit diesem vereinigt der 28 Kilometer entfernten Küsten- und Universitätsstadt Umeå entgegen zu strömen. Diesem Richtungswechsel gemäss lautete der Ortsname früher Wendenäs.
Wir finden gut zur Startnummern-Ausgabe, die im Supermarkt untergebracht ist. Wie praktisch! Rechtzeitig vor dem Start lässt sich der knurrende Bauch besänftigen, welcher der Meinung ist, das Frühstück liege gar weit zurück.
Der kleine Anlass lockt 262 Startende. Ausser dem Halbmarathon gibt es einen 1.5 Kilometer langen Kinderlauf, die 4.6 Kilometer Kurzdistanz, oder den Viertelmarathon. Vor jedem Start wird ein professionell geleitetes Aufwärmen angeboten. Bei frischen 5 Grad wird eifrig geturnt.
Auf unserer Aufwärmrunde begegnen wir vor dem Volkshaus der neuesten Sehenswürdigkeit von Vännäs. Die Beschriftung der hübschen Engelfigur wirkt geheimnisvoll und stimmt nachdenklich - "Den tunna isen bär oss inte" (Das dünne Eis trägt uns nicht).
Um 12 Uhr stehen wir im Feld der 130 Halbmarathonläufer (33 Frauen und 97 Männer), das von den blauen Farben des Sportklubs IFK Umeå geprägt wird, und wir hoffen, dass das "dünne Eis" der ultrakurzen Vorbereitung uns gut durch diesen Lauf trage. Die Startpistole funktioniert nicht - es geht trotzdem pünktlich und rasant los.
Der erste Kilometer führt aufwärts, und aus hoher Warte knipst der Fotograf unsere Durchquerung der Bahnunterführung.
Wir verlassen den Ort sehr bald, und werden vom Polizisten, der uns an die Kommissar Wallander Krimis erinnert, sicher über die Hauptstrasse geleitet.
Der Kurs verläuft hoch über dem nur einmal kurz sichtbaren Fluss Ume älven auf einer kaum befahrenen Nebenstrasse. Er windet sich durch stille Wälder und die kleinen Weiler von Norrmalm, Pengfors, Hällfors nach Fällfors. Ab und zu bietet er Aussicht über spärlich vorhandenes Ackerland.
Auf der ersten Streckenhälfte geht es flussaufwärts - es kommen einige Höhenmeter zusammen. Der Nordwind leistet Widerstand, und die grauen Wolken halten nicht lange dicht. Graupel und Schneeflocken wirbeln uns entgegen.
Dennoch "läuft" es überraschend gut. Entsprechend des letzten, hart empfundenen Mitteltrainings hatten wir uns eine knappe 5er Pace vorgenommen. Nun rollen wir mit regelmässigen 4:45 Min./km dahin, der Puls ist gut und bleibt sehr konstant, und der Langlauf-Muskelkater ist verschwunden. Herrlich, mein Lieblings-Laufwetter herrscht - es ist wunderbar kühl und feucht, und ich kann unseren ambitionierten Erlebnis-Lauf durch unser geliebtes Nordschweden geniessen!
Eine Bestzeit ist nach der minimalen Vorbereitung kein Thema. Es geht darum ein gutes Laufgefühl zu finden, Landschafts-Eindrücke zu sammeln, dabei Luft für kurze Unterhaltungen zu haben und einen gut eingeteilten Lauf zu verwirklichen.
Die Viertelmarathon-Läufer sind bereits auf dem Rückweg.
Kurz vor deren Wendemarke überholen wir eine Gruppe von Läufern, die witzeln: "Nun kommen die Kenianer!". Sie hängen sich an unsere Fersen und profitieren auf dem langen schnurgeraden Wald-Korridor von unserem Windschutz.
Im Strom der entgegenkommenden Läufer zähle ich bis zum Wendepunkt hinter den drei Podestplatz-Anwärterinnen nur drei weitere Frauen.
Bevor wir im Weiler Fällfors einen Wende-Halbkreis um den aufgestellten Pylon drehen, werden unsere Startnummern handschriftlich festgehalten.
Ob der Wind nun ein bisschen schiebt? Die Flocken wirbeln uns jetzt zwar von vorne entgegen!? Doch ich fühle mich stark und spüre Kraft in den Beinen, die Schritte sind elastisch, und wir "fliegen" nun regelmässig mit 4:35 Min./km über die langen Geraden durch den herb nach Flechten und Harz duftenden Wald.
Alle 5 Kilometer gibt es eine Möglichkeit zum Auftanken. Vor dem anspruchsvollsten Anstieg, der zwischen Kilometer 18-20 wartet, stärken wir uns mit unseren eigenen Gels.
Meine Kraft reicht vier Wochen nach dem Zürich-Marathon und nur zwei abgespeckten Tempo-Trainings nicht aus, die Pace am steilsten Hügel zu halten. Der 19. Kilometer schlägt mit 5:09 Min./km zu Buche, und zwei unserer Windschatten-Läufer nutzen die Gunst der Stunde zum Überholen.
Zumindest einen Vorteil hat der steile Hügel. Er bietet Aussicht über das Tal des Ume älven, wenn auch das glitzernde Band des Flusses nur ein paar Sekunden zu sehen ist.
Beim 20. Kilometer Schild rechnet Andi aus, dass wir gar eine 1:39er Zeit schaffen könnten, wenn wir die Beine in die Hand nehmen. Die Steigung endet wenige hundert Meter später, ein Funke Ehrgeiz erwacht, und der Endspurt auf der Rampe ins Dorf hinunter gelingt.
Hand in Hand laufen wir nach 1:39:29 Stunden glücklich und sehr zufrieden ins Ziel.
Wir stärken uns mit Bananen und der traditionellen schwedischen Zielverpflegung Kex choklad. So lange es das kühle Wetter erlaubt, plaudern wir mit unseren Mitläufern und den Kameraden des letztjährigen "Run de Vindelälven".
Ein Sportler mit Ultra-Läufer-Trinkrucksack war uns bereits auf der Anfahrt aufgefallen, da er per pedes auf der E12 auf dem Weg zum Start war. Er erzählt, zusammen mit dem Halbmarathon käme er heute auf etwa 50 Trainingskilometer. Er beginnt von allerhand schönen Trail-Läufen in der Gegend zu schwärmen. Und legt uns die Salomon Trail Tour vom Tavelsjö nach Umeå, die etwas länger als ein Marathon sein soll, wärmstens ans Herz.
Im Café Ljuslyktan (Laterne) wärmen wir uns auf und geniessen Tribünenaussicht auf die Strecke, sehen die letzten Läufer einlaufen, füllen unsere Energiedepots mit Pfannkuchen bzw. einem heissen Poulet-Sandwich und ziehen Bilanz über unseren Lauf.
Ein Bick in die Rangliste zeigt einmal mehr, dass es schwer ist - besonders direkt nach der Langlauf-Saison - sich mit den Lokalmatadoren anzulegen. Mit einem Schmunzeln nehmen wir zur Kenntnis, dass Andi als mein "Pace-Maker" auf dem zweitletzten Platz der Wettkampfkategorie gelandet ist. Nimmt man auch noch die Hobbysportler dazu, belegt er immerhin Rang 40 von 73. Ja, die Nordschweden sind ein zähes Volk!
Als wir den Heimweg antreten, sind die Schneewolken abgezogen. Wir folgen noch einmal der Halbmarathon-Strecke, machen da und dort eine Pause, um in aller Ruhe übers Land zu blicken und den unvergesslichen Lauf noch einmal Revue passieren zu lassen.
Vännäs Halvmaraton
21.0975 km 1:39:29 Stunden / 4:42.9 Mi./km / Puls 162
1. Hälfte 49:51 Min.
2. Hälfte 49:38 Min.
7. von 14 Frauen der einzigen "Wettkampfkategorie" F23
7. von 33 Frauen (F23 + Motion = "Hobbyläufer")
+/- 90 hm / 5° bedeckt, Schneeschauer bis sonnig, leichter Wind
Track http://connect.garmin.com/activity/491997288
Liebe Marianne,
AntwortenLöschendiesmal warst Du aber auch sehr schnell mit Deinem Bericht. Danke für die wunderschönen Eindrücke vom Lauf und von der Landschaft. Aber 5 Grad und Schneeflocken - brrr - das wäre nichts für mich. Wir haben hier im Garten gewerkelt und da oben bei Euch sind solche Bedingungen... Und eine prima Zeit ist es auch noch geworden, ganz herzliche Glückwünsche!
Gute Erholung und reibungslose Heimreise,
liebe Grüße
Elke
Vielen Dank Elke
LöschenEs freut mich, dass ich dich mit dem Bildbericht auf einen Abstecher in den Norden mitnehmen konnte, wenn du auch wärmere Gefilde vorziehst! Es hat praktisch jeden Tag ein paar Schneeflocken gegeben. Die schweren Wolken wurden immer schnell wieder fortgepustet, und wir hatten (im Gegensatz zu der CH) jeden Tag stundenlang Sonnenschein.
Die aufgehende Sonne hat mich am Sonntag um 4 Uhr an der Nase gekitzelt, da habe ich den ruhigen Moment genutzt, die Erlebnisse des Vortages zu verarbeiten. Ich bin sehr dankbar für dieses schöne Lauferlebnis, und die erreichte Zeit hat mich positiv überrascht. Ja, so macht das Laufen Spass.
Nun sind wir schon wieder zuhause.
Liebe Grüsse
Marianne
Hallo,
AntwortenLöschenglückwunsch zu dem tollen Lauf und der unter 100Minuten Zeit. Das schaffen lange nicht alle und vor allem nicht so kurz nach nem anstrengenden Marathon!
Und danke einmal mehr für die wundervollen Eindrücke aus dem Norden!
Markus
Danke Markus
LöschenEs freut mich, dass dir die Bilder aus dem Norden gefallen. Ja, zwischen dem Hochgebirge und dem Sandstrand am Meer hat die Region Västerbotten überraschend viele Perlen zu bieten.
Über meine Zeit freue ich mich nach der kurzen Vorbereitung sehr. Vier Tage vor dem Rennen hätte ich beim Intervall-Training wetten können, dass es unmöglich sei, am Samstag das Tempo aus dem 2 km-Abschnitt 10 x länger halten zu können!
Liebe Grüsse
Marianne
Hey ihr zwei nordischen Laufwunder! Vielen Dank für die tollen Bilder und die ausführliche Berichterstattung - und bis bald in heimischen Gefilden!
AntwortenLöschenLiebi Grüessli, Arlette
Hej Arlette
LöschenBitte gern geschehen!
So kurz nach dem mühsamen Zürich-Marathon bin ich wirklich sehr glücklich über dieses regelmässige Rennen! Um Ranglisten-mässig Wunder zu vollbringen, dürften wir allerdings nicht in Schweden starten - dort landen wir immer besonders weit hinten!
Freue mich auf Mittwoch!
Liebe Grüsse
Marianne
Hej Marianne und Andi,
AntwortenLöschendem schönen Bericht und den tollen Bildern zu entnehmen, hattet ihr trotz des kühlen Wetters euren Spass. Andi lief mit langen Hosen, es muss also kalt gewesen sein, für Dich kann es aber wohl nicht kalt genug sein ;-)
Gratulation zum Finish und gute Erholung.
Liebe Grüse
Hugo
Hej Hugo
LöschenIn Vännäs herrschten "Tenero-Temperaturen", aber es war deutlich trockener.
Bei diesem Lauf dabei sein zu können, war eindrücklich, und das kühle Wetter hat mich beflügelt - doch Andi wäre zeitweise froh um ein langärmliges Shirt gewesen! Sein "Motor" lief ja auch mit deutlich geringerer Drehzahl als meiner ;-)
Danke für die Gratulation, ja nun nehmen wir es ruhig, das CH-"Sommer"-Wetter ist ja auch eine Herausforderung!
Liebe Grüsse
Marianne
Liebe Kenianer :)
AntwortenLöschenGanz herzlichen Dank für den ausführlichen Rennbericht und natürliche Gratulation zur tollen Zeit. Das Gefühl, wenn alles rund läuft, muss einzigartig sein. Es ist immer wieder schön, in die Landschaftsbilder einzutauchen.
Liebe Grüsse und bis bald
Fränzi
Danke Fränzi
LöschenSchön, dass ich dich per Bericht mit auf die Strecke nehmen und dir die nordische Landschaft zeigen konnte.
Jene Läufe, bei denen die Einteilung gelingt, die Pace sich halten lässt, und man wie befreit "locker" dahinrollen kann, ja das sind die aller Schönsten! Dass ich die heimlich erträumte Zeit erreichen konnte (HM-Test für 3:30 Stunden Marathon), war das Pünktchen auf dem i.
Bis ganz bald
Marianne